18.10.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 4735

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Urteil26.03.2006Oberlandesgericht Stuttgart3 U 272/05
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 2007, 566Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2007, Seite: 566
  • NZV 2007, 422Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2007, Seite: 422
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Amtsgericht Nürtingen, Urteil22.11.2005, 42 C 1464/05
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil26.03.2006

Flugge­sell­schaft muss für Schäden an Musik­in­stru­menten als Reisegepäck haften

Flugge­sell­schaften haften, wenn sie Musik­in­strumente, die in Instru­men­ten­koffern als Reisegepäck aufgegeben wurden, beschädigen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Stuttgart entschieden.

Im Fall flog ein kanadischer Posaunist von Montreal nach Stuttgart. Er war Eigentümer zweier Blech­blas­in­strumente, eines Baritonhorns und einer Trombone (Zugposaune). Beide Instrumente verpackte der Musiker vor dem Flug in speziell für diese Objekte vorgesehenen Hartscha­len­koffern, stopfte an den Instrumenten vorhandene Hohlräume mit Wäsche aus und umwickelte die Koffer jeweils mit einem starken Gewebeband. Weil pro Reisendem nur zwei Gepäckstücke zugelassen waren, gab die Mitreisende Frau gemäß einer Absprache mit dem Kläger die Trombone als ihr Reisegepäck auf, den Baritonhorn gab der Kläger als Fluggepäck auf.

Nach der Landung stellte er fest, dass seine Instrumente beschädigt waren. Er meldete den Schaden umgehend am Rekla­ma­ti­o­ns­schalter. Dort wurde ihm ein Formular ausgehändigt. Eine schriftliche Aufnahme der Reklamation erfolgte nicht. Der Musiker ließ den Schaden durch eine Musikhändler schätzen, der sechs Tage nach dem Flug den Schaden mit 1.381 EUR bezifferte. Einen Tag später - am 7. Tag nach dem Flug - machte der Musiker Flug eine schriftliche Schadensanzeige bei der Flugge­sell­schaft.

Die Flugge­sell­schaft weigerte sich aus verschiedenen Gründen, den Schaden zu begleichen. Der Musiker habe einen evtl. Anspruch verloren, weil er die 7 Tagesfrist des Art. 31 Abs. 2 MÜ (Montrealer Übereinkommen zum Flugverkehr) für die schriftliche Schadensanzeige nicht habe ausschöpfen dürfen, denn er habe die Schäden schon bei der Entgegennahme der Gepäckstücke festgestellt. Indem er das zweite Musikinstrument seiner Frau gegeben habe, habe er gegen Treu und Glauben verstoßen, weil er so bewirkt habe, dass die Flugge­sell­schaft über die Haftungs­höchst­grenze von 1.000,- EUR hinaus erstat­tungs­pflichtig sei. Schließlich seien die Instrumente ungeeignet verpackt gewesen.

Flugge­sell­schaft haftet gemäß Art. 17 Abs.2 Montrealer Übereinkommen zum Flugverkehr

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart entschied, dass die Flugge­sell­schaft gemäß Art. 17 Abs.2 MÜ auf Schadensersatz hafte. Nach dieser Vorschrift habe der Luftfracht­führer verschul­den­su­n­ab­hängig den Schaden zu ersetzen, der u. a. durch Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entstehe, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Beschädigung eintrat, an Bord des Luftfahrzeuges oder während eines Zeitraumes eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Gepäck in der Obhut des Luftfracht­führers befand. Das Gericht hatte keine Zweifel daran, dass die Koffer gerade in dem Zeitraum, als die Objekte der Beklagten zum Transport übergeben waren, beschädigt wurden.

Durch die schriftliche Schadensanzeige, die 7 Tage nach dem Schaden aufgegeben worden sei, sei dem Erfordernis des Art. 31 Abs.2 unter Berück­sich­tigung der Besonderheiten des Einzelfalles noch genüge getan. Zwar formuliere die Vorschrift, dass der Schaden unverzüglich anzumelden sei und gebe durch die weitere Formulierung von jedenfalls 7 Tagen zu erkennen, dass man bei Erkennen des Schadens ohne schuldhaftes Zögern sofort reagieren müsse und nicht stets die 7-Tages-Frist ausschöpfen könne. Aufgrund der Umstände des Einzelfalls sei dem Kläger das Ausschöpfen der Frist hier jedoch zuzubilligen.

Auch das Argument, die Musikinstrumente sei falsch verpackt gewesen, ließen die Richter nicht gelten. Gemäß dem Montrealer Übereinkommen zum Flugverkehr bestehe nur dann ein Haftungs­aus­schluss für Schäden am Reisegepäck, wenn dieses besonders schadens­emp­findlich oder sogar bereits defekt sei. Auf unzureichende Verpackung könne sich der Luftfracht­führer nur bei Gütern, nicht aber bei Reisegepäck berufen.

Schließlich war für das Gericht die Tatsache, dass der Musiker ein Instrument seiner Frau mitgegeben hatte, auch kein Problem. Der Einwand der Flugge­sell­schaft, für sie würde im Ergebnis aus dem fremdnützigen Instru­men­ten­transport eine ungerecht­fertigte Haftungs­ver­dop­pelung resultieren, sei nicht stichhaltig. Die Frau könne nämlich ebenfalls nur bis zum Höchstbetrag einen Schaden geltend machen. Für die Beklagte stelle es sich als reiner Zufall, der sie nicht entlasten soll, dar, dass die Frau kein in ihrem Eigentum stehendes Objekt transportieren ließ.

Quelle: ra-online

der Leitsatz

1. Zur Haftung nach Art. 17 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen bei der Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck.

2. Einhaltung der Frist des Art. 31 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen bei der Schadensanzeige.

3. Anwendbarkeit der Regeln zur Dritt­scha­dens­li­qui­dation bei Beschädigung eines in Obhut genommenen und aufgegebenen, aber im Eigentum eines Dritten stehenden Gutes.

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