23.11.2024
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Dokument-Nr. 11304

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Urteil15.03.2011BundesgerichtshofX ZR 99/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2011, 589Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2011, Seite: 589
  • NJW-RR 2011, 787Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2011, Seite: 787
  • RRa 2011, 129Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2011, Seite: 129
  • VersR 2011, 1289Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2011, Seite: 1289
  • VuR 2011, 226Zeitschrift: Verbraucher und Recht (VuR), Jahrgang: 2011, Seite: 226
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Rüsselsheim, Urteil05.11.2009, 3 C 1216/08 (32)
  • Landgericht Darmstadt, Urteil16.06.2010, 7 S 225/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil15.03.2011

BGH zur Haftung des Luftfahrt­un­ter­nehmens bei Verlust von ReisegepäckAnspruch auf Schadensersatz auch bei Erreichung der Haftungs­höchst­grenze nicht ausgeschlossen

Wenn ein Reisender die ihm gehörenden Gegenstände in einem Gepäckstück eines anderen Mitreisenden in die Obhut des Luftfracht­führers gegeben hat, dann ist auch dieser bei Verlust, Beschädigung oder Zerstörung Anspruchs­be­rech­tigter nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ**. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von dem beklagten Luftfahrt­un­ter­nehmen aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatz für den Verlust von Reisegepäck.

Reisegepäck samt Golfausrüstung des Lebensgefährten auf dem Flug verloren gegangen

Sie war am 31. August 2008 mit einem von der Beklagten durchgeführten Flug zusammen mit ihrem Lebensgefährten von Frankfurt am Main nach Malaga geflogen. Dabei ging die von der Klägerin als Reisegepäck aufgegebene Golfreisetasche verloren. Nach dem Vortrag der Klägerin befand sich in der Tasche außer ihrer eigenen auch die Golfausrüstung ihres Lebensgefährten.

Vorinstanzen: Anspruchs­be­rech­tigter ist nur derjenige, der Gepäck aufgibt

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, soweit der geltend gemachte Betrag den Haftungs­höchst­betrag nach Art. 22 Abs. 2 Satz 1 des Montrealer Übereinkommens zur Verein­heit­lichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (MÜ)* überstiegen hat. Die Klägerin könne über diesen Haftungs­höchst­betrag hinaus weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht Schadensersatz verlangen. Bei Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck sei Anspruchs­be­rech­tigter derjenige, der das Gepäck aufgegeben und dadurch zum Objekt des Luftbe­för­de­rungs­vertrags gemacht habe. Dabei müsse eine Verbindung zwischen dem Reisenden und dem Gepäck gegeben sein. Diese Zuordnung werde durch den nach Art. 3 Abs. 3 MÜ*** vom Luftfracht­führer auszu­hän­di­genden Gepäckschein dokumentiert. Zwar müsse auch ein Passagier, der Eigentum im Gepäck eines Mitreisenden verloren habe, Schaden­s­er­satz­ansprüche gegenüber dem Luftfracht­führer geltend machen können. Er könne aber keinen Ersatz mehr verlangen, wenn der Mitreisende, der das betreffende Gepäckstück aufgegeben habe, für den Verlust bereits die höchstmögliche Entschädigung nach den Vorschriften des MÜ erhalten habe.

BGH: Haftungs­höchst­grenze bemisst sich je Reisenden – nicht je Gepäckstück

Auf die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese die an sie abgetretenen Ersatzansprüche ihres Lebensgefährten für den Gepäckverlust noch in Höhe von 750 Euro weiterverfolgt, hat der Bundes­ge­richtshof die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts steht der Ersatzanspruch nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ nicht nur demjenigen Reisenden zu, der die Aufgabe seines Gepäcks durch einen Gepäckschein nach Art. 3 Abs. 3 MÜ dokumentieren kann. Da der Gepäckschein als Legiti­ma­ti­o­ns­papier nach § 808 BGB**** nicht den Anspruch auf Herausgabe des aufgegebenen Reisegepäcks verbrieft, kann auch die Geltendmachung des Ersatzanspruchs bei Verlust des Gepäcks nicht an die Vorlage eines Gepäckscheins geknüpft werden. Der Anspruch nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ steht daher auch einem Reisenden zu, der ihm gehörende Gegenstände in einem Gepäckstück eines anderen Mitreisenden in die Obhut des Luftfracht­führers gegeben hat. Dabei ist der Anspruch auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Haftungshöchstgrenze nach Art. 22 Abs. 2 MÜ mit der Befriedigung der Ansprüche des Reisenden, der das verloren gegangene Gepäckstück aufgegeben hat, bereits ausgeschöpft ist. Art. 22 Abs. 2 Satz 1 MÜ bemisst die Haftungs­höchst­grenze nach seinem Wortlaut ausdrücklich je Reisenden.

*Art. 22 MÜ - Haftungs­höchst­beträge bei Verspätung sowie für Reisegepäck und Güter

[...]

(2) Bei der Beförderung von Reisegepäck haftet der Luftfracht­führer für Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung nur bis zu einem Betrag von 1000 Sonder­zie­hungs­rechten je Reisenden; diese Beschränkung gilt nicht, wenn der Reisende bei der Übergabe des aufgegebenem Reisegepäcks an den Luftfracht­führer das Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort betragsmäßig angegeben und den verlangten Zuschlag entrichtet hat. In diesem Fall hat der Luftfracht­führer bis zur Höhe des angegebenen Betrags Ersatz zu leisten, sofern er nicht nachweist, dass dieser höher ist als das tatsächliche Interesse des Reisenden an der Ablieferung am Bestimmungsort.

**Art. 17 MÜ - Tod und Körper­ver­letzung von Reisenden - Beschädigung von Reisegepäck

[...]

(2) Der Luftfracht­führer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder während eines Zeitraums eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Reisegepäck in der Obhut des Luftfracht­führers befand.

[...]

***Art. 3 MÜ - Reisende und Reisegepäck

[...]

(3) Der Luftfracht­führer hat dem Reisenden für jedes aufgegebene Gepäckstück einen Beleg zur Gepäcki­den­ti­fi­zierung auszuhändigen.

****§ 808 BGB - Namenspapiere mit Inhaberklausel

(1) Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist, mit der Bestimmung ausgegeben, dass die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen.

(2) Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, im Wege des Aufge­bots­ver­fahrens für kraftlos erklärt werden. Die in § 802 für die Verjährung gegebenen Vorschriften finden Anwendung.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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