18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 27841

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Urteil21.09.2017Oberlandesgericht Stuttgart2 U 11/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2018, 90Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2018, Seite: 90
  • NJW-RR 2018, 146Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2018, Seite: 146
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Vorinstanz:
  • Landgericht Heilbronn, Urteil21.12.2016, 6 O 135/16
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil21.09.2017

Schwimm­bad­be­treiber darf gleichzeitiges Springen von mehreren Ebenen eines Sprungturms nicht erlaubenHaftung des Schwimm­bad­betreibers für Badeunfall eines Badegastes

Ein Schwimm­bad­be­treiber darf das gleichzeitige Springen von mehreren Ebenen eines Sprungturms nicht erlauben. Kommt es zu einem Badeunfall, weil ein Springer auf einen noch im Eintauchbecken befindlichen Badegast trifft, haftet dafür der Schwimm­bad­be­treiber. Jedoch kann dem verunglückten Badegast ein Mitverschulden wegen "Handelns auf eigener Gefahr" angerechnet werden. Dies hat das Oberlan­des­gericht Stuttgart entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2015 verunglückte ein 35-jähriger Familienvater bei einem Badeunfall in einem Freibad tödlich. Er war von einem Sprungturm aus 5 m Höhe in das Eintauchbecken gesprungen. Kurz nach ihm sprang ein anderer Badegast vom 10 m Turm und prallte im Eintauchbecken mit dem Familienvater zusammen. Der Familienvater erlitt dabei schwere Kopfver­let­zungen, woran er verstarb. Es war gängige Praxis im Freibad, dass sämtliche Plattformen des Sprungturms zeitgleich offen waren. Jeder Badegast, der springen wollte, vergewisserte sich zunächst, ob das Eintauchbecken frei war und rief dann laut zum Beispiel "5er springt". Zum Unfallzeitpunkt war das Freibad sehr voll und der Sprungturm wurde sehr stark genutzt. Die Ehefrau und die Kinder des Verunglückten klagten schließlich unter anderem gegen den Schwimm­bad­be­treiber auf Zahlung von Schadensersatz.

Landgericht gab Schaden­s­er­satzklage statt

Das Landgericht Heilbronn gab der Schaden­s­er­satzklage statt. Es warf dem Beklagten eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor. Er habe sicherstellen müssen, dass nicht zeitgleich von allen Ebenen des Sprungturms gesprungen werden konnte. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Berufung ein. Er meinte, der verunglückte Familienvater habe auf eigene Gefahr gehandelt. Dafür hafte er als Schwimm­bad­be­treiber nicht.

Oberlan­des­gericht bejaht ebenfalls Schaden­s­er­satz­an­spruch

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Landgerichts. Auch seiner Auffassung nach habe der Beklagte seine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht verletzt. Bei einem Springen von mehreren übereinander liegenden Plattformen müsse gewährleistet sein, dass nicht mehrere Springer gleichzeitig springen und das der Nächste erst dann springt, wenn das Eintauchbecken frei ist. Dieser sichere Ablauf sei bei einer rein akustischen Verständigung der Springer ohne Sichtkontakt nicht gewährleistet. Denn der Ruf könne durch andere Geräusche übertönt werden. Auch eine optische Kontrolle des Eintauchbeckens genüge nicht. Denn es können mehrere Springer gleichzeitig feststellen, dass das Becken frei ist. Zudem springen Badegäste mit Anlauf, wobei eine Kontrolle des Beckens unmittelbar vor dem Sprung nicht möglich sei.

Kein Ausschluss der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht aufgrund offen­sicht­licher Gefahr

Die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht sei nicht deshalb ausgeschlossen, so das Oberlan­des­gericht, weil die Gefahr für die Badegäste offensichtlich sei. Es könne nicht vorausgesetzt werden, dass jeder Badegast die Praxis im Freibad kannte. Zudem sei mit dem unbesonnen Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu rechnen.

Mitverschulden aufgrund "Handelns auf eigener Gefahr"

Das Oberlan­des­gericht rechnete dem Familienvater aber ein Mitverschulden von 25 % wegen "Handelns auf eigene Gefahr" an. Denn für ihn als mehrfachen Besucher des Freibads sei der mangelhaft organisierte Sprungbetrieb erkennbar gewesen. Die Konstellation sei vergleichbar mit Glatt­ei­s­un­fällen, bei denen der Geschädigte die durch die Glätte bedingte Sturzgefahr erkennt und eine geeignete Ausweich­mög­lichkeit besteht. Der höhere Haftungsanteil liege aber beim Beklagten, da dieser durch die unterlassene Organisation des Sprungbetriebs die maßgebliche Erstursache für den Badeunfall gesetzt habe.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, ra-online (vt/rb)

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