23.11.2024
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Oberlandesgericht Schleswig-Holstein Urteil20.04.2011

OLG Schleswig-Holstein: Landwirt haftet nicht für randalierendes JungrindPanikreaktion des Rinds kann nicht als Verletzung von Sorgfalts­pflichten des Landwirts angesehen werden

Ein Landwirt haftet nicht für den Schaden, den eines seiner Jungrinder verursacht, wenn es in einer Panikreaktion aus einer umzäumten Koppel ausbricht, auf eine Straße läuft und dort mit Autos kollidiert. Eine Verletzung der Sorgfaltsfrist kann dem Landwirt dabei nicht vorgeworfen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Schleswig-Holstein hervor.

Der Beklagte des zugrunde liegenden Falls betreibt als Landwirt die Rindviehhaltung. Ende Oktober brachte er seine weiblichen, erstmals trächtigen Jungrinder auf eine umzäunte Koppel hinter das Haus, um sie dort bis zur Aufstallung (Verbringen in den Stall über Winter) zu halten. Gegen Abend brach ein Jungrind aus und lief in einer Panikreaktion bis zur nächsten Kreisstraße, auf der es mit zwei Autos kollidierte. Den entstandenen Sachschaden an ihren Autos verlangten die Kläger daraufhin von dem Landwirt als Tierhalter ersetzt. Dieser berief sich auf das Haftungs­privileg des Halters von Nutztieren, d. h. von Haustieren, die aus beruflichen Gründen oder zu Erwerbszwecken gehalten werden. Für andere Tiere als Nutztiere sieht das Gesetz in allen Fällen eine Haftung des Tierhalters vor, auch wenn dieser sorgfältig auf sein Tier aufgepasst hat. Für Nutztiere sieht § 833 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor, dass der Tierhalter nicht haftet, wenn er seiner Aufsichts­pflicht über das Tier nachgekommen ist oder der Schaden auch bei ausreichender Aufsicht entstanden wäre.

Revision beim BGH: OLG muss mögliche Verletzung von Sorgfalts­pflichten durch Landwirt näher prüfen

Aus Sicht der Beklagten ist das Haftungs­privileg von Nutztierhaltern eine nicht mehr zeitgemäße Regelung, weil auch Landwirte über eine Tierhal­ter­haft­pflicht­ver­si­cherung verfügen und dadurch gegen unkalkulierbare Schaden­se­r­eignisse versichert sind. Das Verfahren war bereits einmal in der vom Senat zu dieser Frage zugelassenen Revision beim Bundes­ge­richtshof. Dieser hatte die unter­schiedliche Ausgestaltung der Tierhal­ter­haftung, je nachdem ob das Tier zu wirtschaft­lichen Zwecken gehalten wird oder nicht, als eine Entscheidung des Gesetzgebers angesehen, die mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Bundes­ge­richtshof hatte dem Oberlan­des­gericht aufgegeben, die Verletzung von Sorgfalts­pflichten durch den Landwirt näher zu prüfen.

Auch vorschriftsmäßig aufgestellter Zaun hätte Panikreaktion des Rinds nicht stand gehalten

In seinem jetzigen Urteil geht das Oberlan­des­gericht gestützt auf das Gutachten eines landwirt­schaft­lichen Sachver­ständigen zunächst einmal davon aus, dass der Ausbruch auf einer Panikreaktion des Tieres beruhte. Der im Verfahren beauftragte landwirt­schaftliche Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass "junge Rinder, insbesondere trächtige erstkalbende Färsen sich tempe­ra­ment­voller als tragende Kühe verhalten und bei ihnen aufgrund der Unerfahrenheit und durch das Fehlen einer erfahrenen Leitkuh heftigere Reaktionen auf unvorsehbare Ereignisse möglich" seien. Aus Sicht des Oberlan­des­ge­richts haftet der Landwirt deshalb nicht, auch wenn der Zaun sich an der Ausbruchsstelle möglicherweise nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden haben sollte. Denn selbst dann, wenn der Landwirt den vom Sachver­ständigen bei Jungrindern für erforderlich angesehenen Zaun (Festzaun, Kombizaun oder Elektrozaun mit mindestens zwei stromführenden Drähten) angebracht hätte, hätte dieser vorschrifts­mäßige Zaun einer Panikreaktion des Rinds nicht stand gehalten. Das Oberlan­des­gericht sieht es auch nicht als eine Verletzung von Sorgfalts­pflichten des Landwirts an, dass dieser die Rinder für die kurze Zeit bis zur Aufstallung auf der kleinen betriebsnahen Hofkoppel gehalten hatte. Dies ist gängige landwirt­schaftliche Praxis und ermöglicht es, die Tiere vor der Aufstallung an den Hof- und Stallbereich zu gewöhnen und sie nach einer wetter­ab­hängigen Notwendigkeit kurzfristig in den Stall zu verbringen.

Quelle: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein/ra-online

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