03.12.2024
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Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss16.11.2020

Haftanstalt muss auf Ausdrucken und Bescheinigungen das Geschlecht einer strafgefangenen "diversen" Person als "divers" eintragenUnzulässigkeit eines offenen Geschlecht­s­eintrags

Besitzt eine strafgefangene Person das Geschlechts­merkmal "divers", so hat sie ein Anspruch darauf, dass auf den ihr betreffenden Ausdrucken und Bescheinigungen der Haftanstalt als Geschlecht "divers" eingetragen wird. Das Offenlassen des Geschlecht­s­eintrags ist unzulässig. Dies hat das Oberlan­des­gericht Saarbrücken entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine im Saarland inhaftierte Person änderte im Mai 2019 ihr Geschlecht von "männlich" in "divers". Sie verlangte nachfolgend, dass auf Ausdrucken und Bescheinigungen der Haftanstalt ihr Geschlecht als "divers" eingetragen wird. Die Haftanstalt kam dem nicht nach und verwies zur Begründung darauf, dass ein solcher Eintrag im EDV-System noch nicht möglich sei. Die Software müsse erst geändert werden, was einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Die Haftanstalt ließ aber in der Folgezeit den Geschlecht­s­eintrag offen. Der strafgefangenen Person war dies aber nicht genug und erhob schließlich Klage.

Landgericht wies Klage ab

Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage ab. Zwar haben Strafgefangene einen Anspruch darauf, dass ihr Geschlecht korrekt eingetragen wird. Jedoch sei dies der Haftanstalt derzeit nicht möglich. Durch die kurzfristige Lösung des Offenlassens des Geschlecht­s­eintrags sei einer Diskriminierung der strafgefangenen Person bis zur Änderung der Software entgegengewirkt geworden. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Rechts­be­schwerde der strafgefangenen Person.

Oberlan­des­gericht bejaht Anspruch auf Eintrag des Geschlechts "divers"

Das Oberlan­des­gericht Saarbrücken entschied zu Gunsten der strafgefangenen Person. Es liege eine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts und ein Verstoß gegen das besondere Diskri­mi­nie­rungs­verbot des Art. 3 Abs. 3 GG vor. Die Haftanstalt sei verpflichtet, auf den Ausdrucken und Bescheinigungen das Geschlecht der strafgefangenen Person mit "divers" anzugeben. Dieser Verpflichtung werde nicht dadurch genüge getan, dass die Haftanstalt die Angaben zum Geschlecht offen lässt. Denn durch den offenen Geschlecht­s­eintrag werde nicht abgebildet, dass sich die Person zwar nicht als Mann oder Frau, aber auch nicht als geschlechtslos begreife, sondern nach eigenen Empfingen ein Geschlecht jenseits von männlich und weiblich habe.

Fehlende Möglichkeit des Geschlecht­s­eintrags "divers" unerheblich

Für unerheblich hielt das Oberlan­des­gericht, dass derzeit ein Eintrag des Geschlechts "divers" im EDV-System nicht möglich sei. Seiner Auffassung nach sei der durch die erforderliche Änderung der Software bedingte bürokratische und finanzielle Mehraufwand zur Beseitigung der bestehenden Grund­rechts­be­ein­träch­tigung hinzunehmen. Zudem habe seit der Einführung der Möglichkeit zur Änderung des Geschlechts in "divers" bis zum Abschluss des erstin­sta­nz­lichen Verfahrens ein Zeitraum von 1 ½ Jahren und damit eine mehr als ausreichende Dauer zur Verfügung gestanden, die technischen Voraussetzungen für die Erfassung des weiteren Geschlechts zu schaffen.

Quelle: Oberlandesgericht Saarbrücken, ra-online (vt/rb)

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