Dokument-Nr. 8844
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- NVersZ 2000, 280Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht (NVersZ), Jahrgang: 2000, Seite: 280
- Landgericht Osnabrück, Urteil07.06.2009, 9 O 754/99
Oberlandesgericht Oldenburg Urteil30.09.1999
Einer quengelt, alles brennt: Wohnungsbrand durch Adventskerzen nach "turbulentem" Familienaufbruch - Versicherung muss zahlenÜberlastete Mutter vergaß im Stress mit quengelndem Kind das Ausblasen der Adventskerzen - Keine grobe Fahrlässigkeit
Wenn eine Mutter sich beim Aufbruch zum Familienausflug mit einem ihrer Kinder rumärgert und deshalb die brennenden Adventskranzkerzen vergisst, ist dies "nicht als schlechterdings unentschuldbar" anzusehen. Die Versicherung muss daher einen Brandschaden regulieren. Dies entschied das Oberlandesgericht Oldenburg.
Im zugrunde liegenden Fall wollte eine Familie einen Onkel besuchen. Als man nachmittags beim Aufbruch war, musste sich die Mutter mit dem zehnjährigen Sohn abquälen, der keine Lust auf den Ausflug hatte. Zwei weitere Kinder waren bereits auf dem Weg zum Auto, in dem der Vater saß und hupend wartete. Der zehnjährige Sohn musste von der Mutter regelrecht "aus der Tür geschoben werden".
Mutter vergisst die Adventskranzkerzen
Während des turbulenten Familienaufbruchs vergas die Mutter, die Adventskranzkerzen zu löschen. Diese verursachten später einen Wohnungsbrand. Die Versicherung meinte, sie sei gemäß § 61 VVG leistungsfrei, weil die Mutter grob fahrlässig gehandelt habe. Der Vater - Versicherungsnehmer - verklagte die Versicherung auf Regulierung des Schadens.
OLG: Versicherung muss Schaden übernehmen
Das Oberlandesgericht Oldenburg gab ihm Recht. Ein grob fahrlässiges Verhalten gemäß § 61 VVG liege nicht vor.
Verhalten der Frau ist objektiv grob fahrlässig
Vorliegend dürfte objektiv der Ehefrau des Klägers der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu machen sein, weil sie die Wohnung verlassen habe, ohne die Kerzen des Adventsgestecks zuvor gelöscht zu haben, und dadurch den Brand verursacht habe.
Verhalten der Frau ist nicht unverzeihlich
Es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass sie auch subjektiv der Vorwurf trifft, sich unverzeihlich verhalten zu haben. Nach dem vom Kläger vorgetragenen und mangels gegenteiligen und unter Beweis gestellten Vorbringens seitens der Beklagten zu unterstellenden Sachverhalt stehe nicht fest, dass das Verhalten der Ehefrau des Klägers als nicht mehr verständliche Nachlässigkeit bewertet werden müsse.
Beabsichtigtes Auslöschen der Kerzen spricht in der Regel gegen grobe Fahrlässigkeit
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung begründe das Brennenlassen einer Kerze in unbeaufsichtigtem Zustand nicht ohne weiteres stets den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Insbesondere dann, wenn etwa ein Versicherungsnehmer beabsichtige, eine oder mehrere brennende Kerzen zu löschen, und er sich nur durch eine kurzfristige Ablenkung von dem beabsichtigten Auslöschen abbringen lasse, spreche dies in der Regel gegen ein grob fahrlässiges Verhalten. So ist ein grob fahrlässiges Verhalten etwa verneint worden, wenn eine Person aufgrund eines Telefongesprächs einen Raum mit brennenden Kerzen in einem Adventsgesteck vorübergehend verlässt (OLG Hamm r + s 1989, 334) oder ein Versicherungsnehmer zu Weihnachten brennende Kerzen zu löschen vergisst, weil ein kleines Kind quengelt und er sich deshalb bereitfindet, einen neuen Puppenwagen vor dem Hause auszuprobieren (OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.03.1998 - 4 U 49/97 - = r + s 1998, 424).
Verhalten der Frau ist nicht als schlechterdings unentschuldbar anzusehen
Unter den genannten Umständen Falle der Ehefrau des Klägers im vorliegenden Fall zwar ein nicht unerhebliches Verschulden zur Last, dieses sei aber eben nicht als schlechterdings unentschuldbar zu qualifizieren.
Hinweis
Im Internetveröffentlichungen und Zeitschriften wird das vorliegenden Urteil oft mit dem Aktenzeichen "2 U 61/99" zitiert. Dieses Aktenzeichen ist falsch. Das Urteil mit den brennenden Kerzen hat das Aktenzeichen "2 U 161/99". In dem Urteil mit dem Aktenzeichen - 2 U 61/99 - geht es um zu kurz vermessene Fenster.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.12.2011
Quelle: ra-online (pt)
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