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Oberlandesgericht Oldenburg Urteil23.04.1999
Bei wiederholten Unfällen an gekennzeichneten Bahnübergängen ist Bahn zur Ergreifung weiterer Sicherungsmaßnahmen verpflichtetOLG Oldenburg zur Verkehrssicherungspflicht an Bahnübergängen
Ereignen sich an einem unbeschrankten Bahnübergang wiederholt Unfälle, kann die Bahn trotz vorhandenem Andreaskreuz, Hinweisschild sowie Blink- und akustischer Signalanlage verpflichtet sein, weitere Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg hervor.
Im zugrunde liegenden Fall fuhr ein Lkw im Jahr 1995 auf einer Straße in Cloppenburg, die die eingleisige Bahnstrecke Oldenburg - Osnabrück überquert. Vor dem Übergang war ein Hinweisschild auf "unbeschrankten Bahnübergang" aufgestellt. Der Übergang selbst war durch ein Blinklichtanlage, ein akustisches Signal und durch ein Andreaskreuz gesichert. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für den Straßenverkehr betrug 50 km/h, die für den Schienenverkehr 100 km/h.
Lkw stoßt beim Überqueren der Gleise mit herannahendem Zug zusammen
Als der Lkw sich dem Bahnübergang näherte, blinkte das Blinklicht, das akustische Signal ertönte. Der Lkw-Fahrer übersah die Warnungen. Beim Überqueren der Gleise wurde der Lkw von dem Zug getroffen, Zugmaschine und Anhänger wurden auseinandergerissen. Die Lok entgleiste, schleuderte gegen einen auf einem Abstellgleis stehenden Waggon, schob diesen vor sich her und kam nach etwa 80 m zu Stillstand. Bei dem Unfall wurden der Lkw-Fahrer, der Lokführer und mehrere Fahrgäste - teils lebensgefährlich - verletzt.
Lkw-Fahrer verklagt Deutschen Bahn AG auf Schadensersatz – Landgericht sieht schwerwiegendes Mitverschulden des Lkw-Fahrers
Der Lkw-Fahrer verklagte die Deutsche Bahn AG vor dem Landgericht Oldenburg. Er war der Auffassung, dass die Bahn jedenfalls für 50 % seiner Schäden zahlen müsse und verlangte auf dieser Grundlage Schmerzensgeld von 25.000 DM, Ersatz seiner materiellen Schäden in Höhe von 19.530 DM und Feststellung dahin, dass die Deutsche Bahn AG verpflichtet sei, ihm zukünftige Schäden zu 50 % zu ersetzen. Das Landgericht wies die Klage ab. Es hielt das Mitverschulden des Lkw-Fahrers für so schwerwiegend, dass dahinter die Haftung der Deutsche Bahn AG für die Betriebsgefahr des Zuges vollständig zurücktrete.
Beweis des ersten Anscheins spricht gegen umsichtiges Verhalten des Lkw-Fahrers
Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil geändert. Es glaubte ebenso wie das Landgericht der Behauptung des Lkw-Fahrers, dass dieser äußerst vorsichtig an den Übergang herangefahren sei, nicht. Ein Kraftfahrzeugführer müsse stets mit Bahnverkehr rechnen, wenn er sich vor unbeschrankten Bahnübergängen befinde und sei zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Er habe dabei so zu fahren, dass er auf kürzester Entfernung anhalten könne, jedenfalls solange wie die Sicherungen des Übergangs nicht auszumachen sei. Der Fahrer müsse notfalls mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder vor dem Übergang anhalten und sich vergewissern, dass sich keine Schienenbahn nähere. Der Beweis des ersten Anscheins spräche jedoch dafür, dass der Kläger sich nicht so verhalten habe.
Deutsche Bahn AG ist verpflichtet Bahnübergänge den Erfordernissen des Verkehrs anzupassen und ausreichend zu sichern
Anders als das Landgericht ist das Oberlandesgericht jedoch der Auffassung, dass die DB ein Mitverschulden trifft, weil der Übergang nicht ausreichend gesichert gewesen sei. In der Berufungsinstanz ist unstreitig geworden, dass es an diesem Bahnübergang nicht nur im Jahr 1994 zu einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang gekommen war. Bereits 1991 war ein Radfahrer auf dem Bahnübergang zu Tode gekommen. 1991 war bei einem weiteren Unfall ein Beifahrer in einem PKW bei einem Zusammenstoß mit einem Personenzug schwer verletzt worden. Hinzu kommt ein weiterer Unfall im Jahr 1993. Die Deutsche Bahn AG konnte somit jedenfalls seit Ende 1991 nicht mehr davon ausgehen, dass die Sicherung des Bahnüberganges den tatsächlichen Bedürfnissen entsprach. Die Deutsche Bahn AG ist aber gehalten, die Bahnübergänge den Erfordernissen des Verkehrs anzupassen und ausreichend zu sichern. Auch wenn bauliche Änderungen nicht hätten durchgeführt werden können, so hätte die Deutsche Bahn AG jedenfalls das Tempo der passierenden Züge verringern können.
Deutsche Bahn AG haftet zu einem Drittel
Die Abwägung der Haftungsanteile führt dazu, dass das Oberlandesgericht eine Haftung der Bahn von 1/3 für angemessen hält. Zur weiteren Verhandlung über die Höhe der sich danach ergebenden Ansprüche des LKW-Fahrers hat es die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
§ 19 StVO:
I. Schienenfahrzeuge haben Vorrang auf Bahnübergängen mit Andreaskreuz ... . Der Straßenverkehr darf sich solchen Bahnübergängen nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern.
II. Fahrzeuge haben vor dem Andreaskreuz ... zu warten, wenn 1. sich ein Schienenfahrzeug nähert, 2. ein rotes Blinklicht oder gelbe oder rote Lichtzeichen gegeben werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.01.2011
Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg/ra-online
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