18.10.2024
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Dokument-Nr. 16352

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Urteil15.11.2012Oberlandesgericht München29 U 1481/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GRUR-RR 2013, 125Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report (GRUR-RR), Jahrgang: 2013, Seite: 125
  • MMR 2013, 130Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2013, Seite: 130
  • NJW 2013, 398Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 398
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Oberlandesgericht München Urteil15.11.2012

Boykottaufruf eines Verbraucher­schutzvereins gegen Betreiber einer Abofalle zulässigRecht zur freien Rede rechtfertigt Eingriff in Gewerbetrieb

Ruft ein Verbraucher­schutzverein die Verbraucher dazu auf, die Bank eines Betreibers einer Abofalle anzuschreiben, um die Sperrung des Kontos zu erreichen, so ist dies zulässig. Der Boykottaufruf ist vom Recht zur freien Meinung­s­äu­ßerung (Art. 5 GG) gedeckt. Dies hat das Oberlan­des­gericht München entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall rief die Verbrau­cher­zentrale Hamburg e.V. im Zusammenhang mit einer Abofalle im Internet auf ihrem Inter­ne­t­auftritt dazu auf, die Bank anzuschreiben, bei welcher der Betreiber der Abofalle ein Konto verfügt, und diese aufzufordern, das Konto zu kündigen. Der Betreiber der Webseite hielt dies für unzulässig und beantragte eine einstweilige Verfügung gerichtet auf Unterlassung des Aufrufs. Das Landgericht München I kam dem Begehren des Abofallen-Betreibers nach. Denn seiner Ansicht nach habe selbst unter Berück­sich­tigung der Meinungs­freiheit ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbetrieb vorgelegen. Der Verbrau­cher­schutz­verein legte gegen das Urteil Berufung ein.

Anspruch auf Unterlassung bestand nicht

Das Oberlan­des­gericht München stellte fest, dass dem Abofallen-Betreiber kein Anspruch auf Unterlassung (§§ 823, 1004 BGB) zustand. Denn es habe zwar ein Eingriff in den Gewerbetrieb vorgelegen. Dieser sei aber nicht rechtswidrig gewesen.

Boykottaufruf war von Meinungs­freiheit gedeckt

Der Boykottaufruf des Verbrau­cher­schutz­vereins habe nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts unter dem Schutz der Meinungs­freiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gestanden. Es habe sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer für die Öffentlichkeit wichtigen Frage gehandelt. Der Verbrau­cher­schutz­verein habe keine eigenen wirtschaft­lichen Interessen verfolgt, sondern die wirtschaft­lichen und sozialen Belange der Allgemeinheit.

Aufruf war wegen fehlender milderer Mittel nicht unver­hält­nismäßig

Zudem sei der Aufruf aus Sicht der Richter nicht unver­hält­nismäßig gewesen. Mildere Mittel haben nicht zur Verfügung gestanden. Mögliche Unter­las­sungs­ansprüche nach § 8 UWG haben kein gleich wirksames Mittel zur Durchsetzung der Verbrau­che­r­in­teressen dargestellt. Denn Abofallen im Internet stellen wettbe­wer­bs­rechtliche Grenzfälle dar und können daher aus Sicht des Wettbe­wer­bs­rechts als durchaus zulässig erachtet werden.

Aufruf stellte kein unangemessenes Mittel dar

Schließlich sei der Aufruf auch kein unangemessenes Mittel gewesen, so das Oberlan­des­gericht weiter. Zum einen seien Boykottaufrufe auch im Zusammenhang mit rechtmäßigem Verhalten zulässig. Zum anderen seien eventuell zu befürchtende wirtschaftliche Einbußen auf seitens des Abofallen-Betreibers nicht stärker zu gewichten gewesen, als das öffentliche Interesse der Allgemeinheit bzw. dem Recht auf freie Rede. Denn Meinung­s­äu­ße­rungen können für bestimmte Personengruppen immer mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen verbunden sein, wenn die angesprochenen Kreise wegen der Meinung­s­äu­ßerung ihr bisheriges Verhalten ändern und dadurch wirtschaftliche Folgen auslösen.

Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)

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