Oberlandesgericht München Urteil15.11.2012
Boykottaufruf eines Verbraucherschutzvereins gegen Betreiber einer Abofalle zulässigRecht zur freien Rede rechtfertigt Eingriff in Gewerbetrieb
Ruft ein Verbraucherschutzverein die Verbraucher dazu auf, die Bank eines Betreibers einer Abofalle anzuschreiben, um die Sperrung des Kontos zu erreichen, so ist dies zulässig. Der Boykottaufruf ist vom Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) gedeckt. Dies hat das Oberlandesgericht München entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall rief die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. im Zusammenhang mit einer Abofalle im Internet auf ihrem Internetauftritt dazu auf, die Bank anzuschreiben, bei welcher der Betreiber der Abofalle ein Konto verfügt, und diese aufzufordern, das Konto zu kündigen. Der Betreiber der Webseite hielt dies für unzulässig und beantragte eine einstweilige Verfügung gerichtet auf Unterlassung des Aufrufs. Das Landgericht München I kam dem Begehren des Abofallen-Betreibers nach. Denn seiner Ansicht nach habe selbst unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbetrieb vorgelegen. Der Verbraucherschutzverein legte gegen das Urteil Berufung ein.
Anspruch auf Unterlassung bestand nicht
Das Oberlandesgericht München stellte fest, dass dem Abofallen-Betreiber kein Anspruch auf Unterlassung (§§ 823, 1004 BGB) zustand. Denn es habe zwar ein Eingriff in den Gewerbetrieb vorgelegen. Dieser sei aber nicht rechtswidrig gewesen.
Boykottaufruf war von Meinungsfreiheit gedeckt
Der Boykottaufruf des Verbraucherschutzvereins habe nach Ansicht des Oberlandesgerichts unter dem Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gestanden. Es habe sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer für die Öffentlichkeit wichtigen Frage gehandelt. Der Verbraucherschutzverein habe keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, sondern die wirtschaftlichen und sozialen Belange der Allgemeinheit.
Aufruf war wegen fehlender milderer Mittel nicht unverhältnismäßig
Zudem sei der Aufruf aus Sicht der Richter nicht unverhältnismäßig gewesen. Mildere Mittel haben nicht zur Verfügung gestanden. Mögliche Unterlassungsansprüche nach § 8 UWG haben kein gleich wirksames Mittel zur Durchsetzung der Verbraucherinteressen dargestellt. Denn Abofallen im Internet stellen wettbewerbsrechtliche Grenzfälle dar und können daher aus Sicht des Wettbewerbsrechts als durchaus zulässig erachtet werden.
Aufruf stellte kein unangemessenes Mittel dar
Schließlich sei der Aufruf auch kein unangemessenes Mittel gewesen, so das Oberlandesgericht weiter. Zum einen seien Boykottaufrufe auch im Zusammenhang mit rechtmäßigem Verhalten zulässig. Zum anderen seien eventuell zu befürchtende wirtschaftliche Einbußen auf seitens des Abofallen-Betreibers nicht stärker zu gewichten gewesen, als das öffentliche Interesse der Allgemeinheit bzw. dem Recht auf freie Rede. Denn Meinungsäußerungen können für bestimmte Personengruppen immer mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen verbunden sein, wenn die angesprochenen Kreise wegen der Meinungsäußerung ihr bisheriges Verhalten ändern und dadurch wirtschaftliche Folgen auslösen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.07.2013
Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)