18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Köln Urteil21.03.2016

Patientin hat wegen dauerhaften Haarverlusts nach Chemotherapie Anspruch auf SchadensersatzÄrzte hätten über Besonderheit des Medikaments mit einhergehendem dauerhaften statt vorübergehendem Haarverlust aufklären müssen

Das Oberlan­des­gericht Köln hat einer Patientin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro wegen dauerhaften Haarverlusts nach einer Chemotherapie zugesprochen. Grund für die Ersatzpflicht des verklagten Krankenhauses ist aber nicht ein Behand­lungs­fehler, sondern die unzureichende Aufklärung durch die Klinikärzte über die Risiken des verwandten Krebs­me­di­ka­mentes. Die Besonderheit liegt darin, dass es sich nicht um vorübergehenden Haarausfall, sondern um dauerhaften Haarverlust handelte.

Die Patientin des zugrunde liegenden Verfahrens hatte sich wegen Brustkrebs im Krankenhaus operieren lassen. Die anschließende Chemotherapie führten die behandelnden Ärzte mit einem damals recht neuen und besonders wirksamen Medikament durch. Nach der Behandlung trat bei der Klägerin dauerhafter Haarverlust ein. Körperbehaarung, Wimpern und Augenbrauen fehlen seitdem fast vollständig. Das Kopfhaar wächst nur teilweise nach. Über dieses Risiko hatten die Ärzte die Klägerin nicht aufgeklärt.

Landgericht weist Klage der Patientin ab

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Es war der Auffassung, dass es zum Behand­lungs­zeitpunkt keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Risiko eines dauerhaften Haarverlusts gegeben habe.

Patientin hätte über möglichen dauerhaften Haarverlust aufgeklärt werden müssen

Das Oberlan­des­gericht Köln hat die Situation anders bewertet. Nach den vom Hersteller zum Behand­lungs­zeitpunkt (2007/2008) veröf­fent­lichten Fachin­for­ma­tionen für Ärzte habe die Gefahr bestanden, dass als Folge des Medikaments ein dauerhafter Haarausfall eintreten würde. Im Rahmen einer Studie hätte sich bei einer mittleren Nachbe­ob­ach­tungszeit von 55 Monaten bei 3,2 % der Patientinnen dauerhafter Haarausfall eingestellt. Auf dieser Grundlage sei die Klägerin vor Einleitung der Chemotherapie fehlerhaft aufgeklärt worden. Nach dem Erkenntnisstand, der für einen sorgfältigen, senologisch tätigen Gynäkologen bei Führung des Aufklä­rungs­ge­sprächs und Beginn der Chemotherapie zu berücksichtigen war, hätte die Klägerin über das Risiko aufgeklärt werden müssen, dass bei Verwendung des Medikaments ein dauerhafter Haarverlust eintreten konnte. Denn Patienten müssten vor einer ärztlichen Behand­lungs­maßnahme "im Großen und Ganzen" wissen, worauf sie sich einlassen. Über das Risiko eines dauerhaften Haarverlusts sei auch dann aufzuklären, wenn es sich selten verwirkliche. Die Komplikation würde, sofern sie eintritt, Patienten meist schwer belasten und daher für die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung Bedeutung haben.

Entscheidung für die Therapie nach ausreichender Aufklärung nicht zweifelsfrei sicher

Ohne Erfolg blieb der - grundsätzlich zulässige - Einwand des Krankenhauses, dass sich die Patientin auch bei vollständiger Aufklärung für die Chemotherapie mit dem Medikament entschieden hätte. Das Gericht hatte die Klägerin nachdrücklich und lange befragt und es danach für plausibel gehalten, dass sie sich im Fall einer vollständigen Aufklärung in einem sogenannten "echten Entschei­dungs­konflikt" befunden hätte. Es sei nicht sicher, dass sich die Patientin bei der Abwägung zwischen einer abstrakten höheren Überle­bens­wahr­schein­lichkeit mit dem Medikament und dem geringen aber konkreten Risiko des dauerhaften Haarverlustes auch bei vollständiger Aufklärung für diese Therapie entschieden hätte.

Höhe des Schmer­zens­geldes ergibt sich aus psychischen Folgen durch Haarverlust

Bei der Höhe des Schmer­zens­geldes hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass es bei der Klägerin zu erheblichen und nachhaltigen psychischen Folgen und seelischen Belastungen aufgrund des Haarverlustes gekommen ist.

Quelle: Oberlandesgericht Köln/ra-online

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