18.10.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil27.01.2016

Werbung für Arzneimittel mit nicht zweifelsfrei nachgewiesener therapeutischer Wirkung unzulässigInhalte von Werbeaussagen müssen gesicherten wissen­schaft­lichen Erkenntnissen entsprechen

Das Oberlan­des­gericht Koblenz hat entschieden, dass die Werbung für Arzneimittel dann unzulässig ist, wenn und soweit der Inhalt der Werbeaussage nicht gesicherter wissen­schaft­licher Erkenntnis entspricht. Daher ist die Werbung für ein homöopathisches Arzneimittel, das gegen Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasen­ne­ben­höhlen zugelassen ist, zu unterlassen, soweit sie eine schnelle und effektive Hilfe bei akutem Schnupfen sowie bei chronischer Sinusitis und eine regenerierende Wirkung auf die Nasen­schleimhaut verspricht. Für ein homöopathisches Mittel gegen nervös bedingte Unruhezustände und Schlafstörungen darf nicht mit dem Hinweis geworben werden, das Präparat fördere Gelassenheit, es helfe, den alltäglichen Heraus­for­de­rungen wieder gestärkt entge­gen­zu­treten, es fördere die Selbst­heilungs­kräfte und stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Hersteller eines homöopathischen Arzneimittels, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Präparat gegen "Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasen­ne­ben­höhlen" zugelassen worden war, bewarb das Produkt im November 2014 in einer Zeitschrift unter anderem damit, dass es "schnell und effektiv" sowohl bei akutem Schnupfen als auch bei chronischer Sinusitis hilft und "abschwellend, entzün­dungs­hemmend und regenerierend auf die Nasen­schleimhaut" wirkt. Festsitzender Schleim, so die Werbeanzeige, werde gelöst und Beglei­t­er­schei­nungen wie Zerschlagenheit, Kopfdruck, Nies- und Juckreiz würden gelindert. Ein anderes homöopathisches Arzneimittel, das als Präparat gegen "nervös bedingte Störungen wie Schlafstörungen und Unruhezustände" zugelassen worden war, war vom Hersteller in der Zeitschrift unter anderem mit dem Hinweis beworben worden, das Präparat fördere "Gelassenheit und Ruhe"; es helfe überdies, den alltäglichen Heraus­for­de­rungen wieder gestärkt entgegen zu treten, fördere die Selbst­hei­lungs­kräfte, stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her und biete eine effektive Unterstützung bei Unruhe , Nervosität und/oder Schlafstörungen.

Klage auf Unterlassung der Werbeangaben vor dem Landgericht erfolglos

Die auf Unterlassung dieser Werbeangaben gerichtete Klage wies das Landgericht Bad Kreuznach ab und führte zur Begründung aus, dass das Pharmaunternehmen für die Arzneimittel nicht mit einer Wirkung werbe, die außerhalb der zugelassenen Anwen­dungs­gebiete liege.

OLG beanstandet Werbung als teilweise irreführend

Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlan­des­gericht Koblenz das Urteil jedoch teilweise ab und untersagte die Werbung für beide Produkte mit den vom Kläger beanstandeten Angaben weitgehend. Nach Auffassung der Richter ist die Werbung teils irreführend, weil die behauptete therapeutische Wirkung der Präparate vom zugelassenen Anwen­dungs­gebiet nicht umfasst und auch nicht durch eine wissen­schaftliche Abhandlung zweifelsfrei nachgewiesen sind.

Behauptete schnelle Wirkung des Präparats kann nicht aus Zulassung des Medikamentes hergeleitet werden

Der Hinweis in der Werbung, das Präparat gegen Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasen­ne­ben­höhlen helfe "schnell und effektiv" bei akutem Schnupfen sowie chronischer Sinusitis und wirke "regenerierend auf die Nasen­schleimhaut", ist nach Auffassung des Gerichts als irreführend und damit unzulässig anzusehen, weil aus der Zulassung des Medikamentes durch das Bundesamt für Arzneimittel die behauptete schnelle Wirkung des Präparats nicht hergeleitet werden kann; außerdem ist eine "regenerierende Wirkung des Produkts auf die Nasen­schleimhaut" vom Anwen­dungs­gebiet der Zulassung nicht umfasst. Solche Wirkungsweisen hatte der Arznei­mit­tel­her­steller auch nicht durch Vorlage einer wissen­schaft­lichen Abhandlung zweifelsfrei belegen können. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte genommen, kann allerdings grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die sich auf das zugelassene Anwen­dungs­gebiet beziehenden Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Zulassung entsprechen, sodass vom Hersteller des Produkts hiermit auch geworben werden kann. Deshalb war es nach Auffassung des Gerichts auch nicht zu beanstanden, dass das Pharma­un­ter­nehmen für das Präparat gegen Sinusitis damit geworben hatte, dass es bei akutem Schnupfen helfe, abschwellend wirke und Beglei­t­er­schei­nungen wie Zerschlagenheit, Nies- und Juckreiz und/oder Kopfdruck lindere.

Beschriebene Wirksamkeit des Arzneimittels kann nicht zweifelsfrei belegt werden

Für das homöopathische Arzneimittel, das als Medikament gegen "nervöse Störungen wie Schlafstörungen und Unruhe sowie Verstim­mungs­zu­stände" zugelassen ist, darf nach Auffassung des Gerichts nicht mit den Angaben geworben werden, dass das Präparat Gelassenheit fördere, es helfe, den alltäglichen Heraus­for­de­rungen wieder gestärkt entge­gen­zu­treten, es die Selbst­hei­lungs­kräfte fördere und das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder herstelle. Denn auch diese Werbeaussagen sind weder vom zugelassenen Anwen­dungs­gebiet des Medikaments umfasst, noch hat der Arznei­mit­tel­her­steller eine entsprechende Wirksamkeit des Arzneimittels anderweitig zweifelsfrei belegen können.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

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