18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil02.03.2011

Bei Ski-Unfall zweier Deutscher in Österreich gilt deutsches Schaden­s­er­satzrechtVerhal­tens­regeln am Unfallort sind maßgeblich / FIS-Regeln als geltendes Gewohn­heitsrecht sind maßgebliches Kriterium bei Schuld­fest­stellung im Falle von Skiunfällen

Kommt es in Österreich zu einem Skiunfall zwischen zwei Deutschen, kann nach Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB deutsches Schaden­s­er­satzrecht angewendet werden. Allerdings bleiben für die Verschul­densfrage die Verhal­tens­regeln am Unfallort (Österreich) maßgeblich. Demzufolge sind für die Verhaltens- und Sorgfalts­pflichten die FIS-Regeln anzuwenden. Diese sind in den Alpenländern, insbesondere in Österreich geltendes Gewohn­heitsrecht.

Ausgangspunkt des zugrunde liegenden Falls ist ein Skiunfall, der sich auf einer Abfahrtspiste in Österreich zwischen zwei deutschen Urlaubern ereignete. Der Kläger wurde dabei so schwer verletzt, dass er mit einem Rettungs­hub­schrauber in ein Krankenhaus gebracht werden musste. Nach Schilderung des Geschädigten habe er den Beklagten "nicht kommen sehen", als er seine Fahrtrichtung leicht änderte, um die weiter unten befindliche Skihütte anzusteuern. Für den sich daraufhin ereignenden Unfall sah er die Unfallschuld beim Beklagten.

Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes, da Kläger und Beklagter Wohnsitz in Deutschland haben

Zunächst war jedoch die Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes für diesen Fall zu klären, da sich der Unfall in Österreich ereignet hatte. Nach Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB sei deutsches Recht anzuwenden, da beide Parteien ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Ungeachtet der Geltung deutschen Schaden­s­er­satz­rechts seien die Verhal­tens­vor­schriften am Unfallort für die Haftung maßgeblich (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.1996, Az. VI ZR 291/94 = BGH NJW-RR 1996, 732). Demzufolge richteten sich die Verhaltens- und Sorgfalts­pflichten hier nach den FIS-Regeln. Diese Regeln stellten nämlich in den Alpenländern, insbesondere in Österreich geltendes Gewohn­heitsrecht dar (vgl. OLG Brandenburg in NJW-RR 2006, 1558, 1559; OLG Hamm in NJW-RR 2001, 1537 und OLG Düsseldorf in VersR 1997, 193, 194).

Für Haftung maßgebliche Verhal­tens­vor­schriften ergeben sich aus FIS-Regeln

Das Oberlan­des­gericht Koblenz bestätigte die Unfallschuld des Beklagten. Eine Haftung konnte mit § 823 Abs. 1 BGB begründet werden. Der Unfall sei von ihm fahrlässig herbeigeführt worden. Für die Haftung maßgeblich seien die Verhal­tens­vor­schriften vor Ort. In den Alpenländern, also auch in Österreich, stellten die FIS-Regeln geltendes Gewohn­heitsrecht dar. Danach sei der von hinten kommende Skifahrer dafür verantwortlich, eine Fahrspur zu wählen, in der er die vor ihm Fahrenden nicht gefährde. Der Hinter­her­fahrende müsse genügend Abstand einhalten, um dem Vorausfahrenden für alle seine Bewegungen genügend Raum zu lassen. Wer sich unter Ausnutzung von Hangneigung und Schwerkraft bewege, der genieße gegenüber von hinten oder oben kommenden Skifahrern unein­ge­schränkten Vorrang (OLG Hamm NJW-RR 2001, 1537). Demnach sei eine vorausschauende Fahrweise verpflichtend, bei der mit allen Bewegungen des unten Fahrenden zu rechnen sei, auch mit Schwüngen, Schrägfahrten und Richtungs­wechseln. Er dürfe nicht darauf vertrauen, dass der Vorausfahrende seine kontrollierte Fahrweise in einem bestimmten Pistenbereich beibehalte.

Keine Mitschuld des Geschädigten, da er sich nur "nach vorne" orientieren muss

Der vorausfahrende Skifahrer müsse sich hingegen nicht nach oben oder hinten orientieren, da ihm wiederum die Pflicht auferliege, auf die Fahrenden vor ihm zu achten. Ein Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB war damit nicht festzustellen. Er habe auch nicht durch das Queren der Piste gegen die FIS-Regeln verstoßen, weil alles dafür gesprochen habe, dass sein Fahrtziel die Talstation war. Damit habe der Beklagte rechnen müssen.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Koblenz (vt/st)

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