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Oberlandesgericht Koblenz Urteil04.03.2021
Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ("Islamischer Staat")Haftstrafe auf Bewährung wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat"
Das Oberlandesgericht Koblenz hat gegen eine 30 Jahre alte deutsche Staatsangehörige Lisa R. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 Strafgesetzbuch) eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren verhängt, deren weitere Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Das OLG sah es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen an, dass die Angeklagte im Zeitraum von Mitte September 2014 bis Mitte Januar 2019 Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) war. Die Angeklagte sei durch ihren nach islamischem Recht mit ihr verheirateten Ehemann in Kontakt mit dem Islam gekommen. Unter dem Einfluss ihres sich zunehmend radikalisierenden Ehemannes sei in ihr der Wunsch entstanden, in einer muslimischen Gemeinschaft zu leben. Im September 2014 sei sie sodann gemeinsam mit ihrem Ehemann und dessen beiden Schwestern von Deutschland in die Türkei ausgereist, von wo aus sie sich Mitte September 2014 mit Hilfe von Schleusern auf syrisches Staatsgebiet begeben habe, um sich dort gemäß ihrer von Anfang an bestehenden Absicht dem IS anzuschließen. Die Angeklagte habe ihren Ehemann, der als Kämpfer für den IS eingesetzt worden sei, bei seinem Tun unterstützt, indem sie sich gemäß dem Frauenbild des IS untergeordnet, den gemeinsamen Haushalt verrichtet und ihn moralisch unterstützt habe, damit er uneingeschränkt der terroristischen Vereinigung als Kämpfer habe zur Verfügung stehen können. Ihre Eingliederung in die Vereinigung habe die Angeklagte auch nach außen dokumentiert, indem sie von Syrien aus über soziale Netzwerke und Messengerdienste in ihrer Kontaktgruppe die Ideologie des IS verbreitet habe.
Ende der Mitgliedschaft durch Flucht
Sie habe hierbei zur Ausreise in das vom IS ausgerufene Kalifat aufgefordert, das Leben und die Versorgungslage in den vom IS kontrollierten Gebieten angepriesen, die Gräueltaten des IS gerechtfertigt und die Tötung von Ungläubigen gutgeheißen. Zur Vertiefung ihrer ideologischen Indoktrinierung habe sie innerhalb der Organisation zwei Sharia-Kurse durchlaufen. Auch nach dem Tod des ersten Ehemannes im März 2015 habe die Angeklagte weiterhin dem Islamischen Staat angehört und noch dreimal IS-Kämpfer geheiratet, wobei die ersten beiden Verbindungen, bedingt durch den jeweils frühen Tod des Ehemannes, nur kurze Zeit bestanden hätten. Mit Beginn des Rückzugs des IS aus Ar-Raqqa im Jahre 2017 habe die Angeklagte erstmals darüber nachgedacht, dessen Herrschaftsgebiet zu verlassen, ohne jedoch diesbezüglich konkret etwas zu unternehmen. Sie habe sich gemeinsam mit ihrem vierten Ehemann, ihrem Sohn und ihren im Oktober 2017 geborenen Zwillingen, dem militärischen Rückzug des IS folgend, in die letzten noch durch den IS kontrollierten Gebiete zurückziehen müssen. Erst Mitte Januar 2019 habe die Angeklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann und den Kindern aus dem IS-Gebiet flüchten können. Auf ihrer Flucht sei die Angeklagte sodann in Syrien von kurdischen Kräften festgesetzt und in ein Lager verbracht worden. In diesem Lager habe sie sich rund ein Jahr aufhalten müssen, bis sie schließlich im Januar 2020 über die Türkei nach Deutschland abgeschoben wurde. Der Senat gelangte zu der Überzeugung, dass die Angeklagte sich mit der Flucht im Januar 2019 vom IS losgesagt hatte und dieser Zeitpunkt das Ende ihrer mitgliedschaftlichen Betätigung markiert.
Keine Anrechnung von im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung
Bei der Strafzumessung hat der Senat zu Lasten der Angeklagte unter anderem berücksichtigt, dass diese über einen langen, gut vier Jahre umfassenden Zeitraum dem IS angehört und ihre Zugehörigkeit erst beendet hatte, als der IS militärisch schon fast besiegt war. Zugunsten der Angeklagten floss in die Strafzumessung unter anderem ein, dass sie vor Begehung der vorliegenden Tat strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war, dass sie sich nicht in schwerwiegender Weise an der Durchsetzung der Ziele des IS beteiligt hatte, und dass die zwischenzeitlich mehr als ein Jahr dauernde Untersuchungshaft für die Angeklagte durch die Trennung von ihren Kindern mit besonderen Belastungen verbunden war, zumal ihr während der gesamten Haftzeit insoweit nur drei Besuchskontakte ermöglicht worden waren. Der Senat hat es abgelehnt, die Zeit des Lageraufenthaltes in Syrien auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen. Anrechenbar sei eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung nur dann, wenn sie durch staatliche Organe angeordnet werde. Hieran fehle es. Der Lageraufenthalt der Angeklagten sei allein durch nicht staatlich verfasste kurdische Kräfte und, nachdem diese das Lager aufgegeben hatten, durch syrische Milizen veranlasst und verantwortet worden. Der Senat hat jedoch die Zeit des Lageraufenthaltes bei der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten berücksichtigt. Bei Abwägung aller Strafzumessungskriterien hielt der Senat eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren für tat- und schuldangemessen. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, weil die Angeklagte zur Überzeugung des Senates die Phase der religiösen Radikalisierung endgültig hinter sich gelassen hat und unter anderem deshalb die Begehung weiterer Straftaten von ihr nicht zu befürchten sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.03.2021
Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (pm/aw)
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