18.10.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil21.07.2014

Indischer Staats­an­ge­höriger wegen geheim­dienst­licher Agenten­tä­tigkeit zu Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteiltInformationen über sich in Deutschland aufhaltende Inder aus dem Umfeld der extremistischen Sikh an indisches Generalkonsulat übermittelt

Das Oberlan­des­ge­richts Koblenz hat den indischen Staats­an­ge­hörigen Ranjit S. wegen geheim­dienst­licher Agenten­tä­tigkeit (§ 99 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Das Gericht sah es nach Abschluss der Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Angeklagte für einen indischen Nachrich­ten­dienst eine geheim­dienstliche Agenten­tä­tigkeit ausgeübt und dabei Erkenntnisse über in Deutschland lebende Inder, insbesondere solche aus dem extremistischen Spektrum der Sikhs, weitergegeben hat.

Der 45 Jahre alte, verheiratete Angeklagte ist indischer Staats­an­ge­höriger und gelernter Elektriker. Er gehört der Glaubens­richtung der Sikh an. Nach eigenen Angaben war er in Indien Mitglied der "All India Sikh Student Organisation" (AISSF), die wie auch andere Sikh-Organisationen für einen selbstständigen Staat auf dem Gebiet des Punjab eintritt. Im Jahr 2002 war er mit gefälschtem Reisepass nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, die Abschiebung ausgesetzt. Er lebte zuletzt in Ludwigshafen. Er ist bereits in mehreren Fällen wegen Verschaffens von falschen Ausweisen und Einschleusens von Ausländern verurteilt worden, zuletzt - noch nicht rechtskräftig - vom Landgericht Frankenthal / Pfalz zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von 4 Jahren und 2 Monaten.

Angeklagter hatte Zugang zu einer von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuften extremistischen Gruppe

Nach den Feststellungen des Oberlan­des­ge­richts verfügte der Angeklagte durch seine Schleu­ser­tä­tigkeit über gute Kontakte zu in Deutschland lebenden Indern, insbesondere zu solchen, die der Glaubens­richtung der Sikhs angehören. Infolge seiner Tätigkeit in der AISSF hatte er auch Zugang zum extremistischen Spektrum der Sikhs, so etwa zur "Babbar Khalsa International" (BKI), die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft wird.

Angeklagter liefert Nachrich­ten­dienst Informationen über sich in Deutschland aufhaltende Inder

Wegen dieser Verbindungen wurde der Angeklagte nach Überzeugung des Oberlan­des­ge­richts Ende 2012 von einem Mitarbeiter des indischen Genera­l­kon­sulats in Frankfurt am Main angesprochen, der für einen indischen Geheimdienst, höchst­wahr­scheinlich den Inlands­nach­rich­ten­dienst "Intelligence Bureau" (IB), tätig ist. Hiervon wusste der Angeklagte. Er erhoffte sich durch eine Zusammenarbeit mit dem indischen Staat Vorteile für sich und seine Familie. Er lieferte in der Folge Informationen über sich in Deutschland aufhaltende Inder - vorrangig aus dem Umfeld der extremistischen Sikh - sowie deren Familien­an­ge­hörige zu Aufenthalt und Einbindung in Organi­sa­ti­o­nss­trukturen.

Tatbestand der geheim­dienst­lichen Agenten­tä­tigkeit durch Mitarbeit für Geheimdienst verwirklicht

Mit seiner konspirativen und aktiven Mitarbeit für den indischen Geheimdienst hat der Angeklagte den Tatbestand der geheim­dienst­lichen Agenten­tä­tigkeit verwirklicht. Für die Höhe der Strafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sind aus Sicht des Oberlan­des­ge­richts zum einen die Vorstrafen, zum anderen aber auch der Umstand von Bedeutung, dass die beschafften Informationen nicht von besonderem Gewicht waren und für die ausgeforschten Personen bislang kein feststellbarer Schaden entstanden ist. Das Oberlan­des­gericht ist unter dem Antrag der Bundes­an­walt­schaft geblieben, die eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten gefordert hatte.

Begrenzung der Ausforschungen auf in Deutschland lebende indische Anhänger der Sikh-Organisationen für Verwirklichung des Straf­tat­be­standes nicht entscheidend

Dem Antrag des Verteidigers auf Freispruch ist das Oberlan­des­gericht nicht gefolgt. Es sei für die Verwirklichung des Straf­tat­be­standes letztlich nicht entscheidend, dass sich die Ausfor­schungs­be­mü­hungen des Angeklagten nicht auf deutsche Staats­an­ge­hörige, sondern auf sich in Deutschland aufhaltende indische Anhänger terroristischer Sikh-Organisationen bezogen haben. Die Strafvorschrift solle vor der nicht auszu­schlie­ßenden Gefahr schützen, dass durch Ausforschung gewonnene Erkenntnisse von fremden Geheimdiensten genutzt werden, um auf das Verhalten der ausgeforschten Personen Einfluss zu nehmen, insbesondere um sie oder ihre Angehörigen zu geheim­dienst­licher Mitarbeit zu bewegen. Die Bundesrepublik habe aber auch ein Interesse daran, dass Maßnahmen gegen womöglich gesuchte Personen nur unter Einhaltung der bestehenden Rechts­hil­fe­regeln erfolgen. Schließlich seien von den Ausfor­schungs­be­mü­hungen des Angeklagten nicht nur Extremisten, sondern auch deren Angehörige betroffen. Es sei von einer gravierenden Missachtung deutscher Souveränität auszugehen, so dass der Tatbestand der geheim­dienst­lichen Agenten­tä­tigkeit verwirklicht werde.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

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