18.10.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil29.07.2009

OLG Koblenz zur berufs­ge­richt­lichen Ahndung bei Veruntreuung und Unterschlagung von Mandan­ten­geldern durch einen SteuerberaterErteiltes Berufsverbot kann je nach Schwere des Vergehens befristet werden

Einem Steuerberater, der wiederholt Mandantengeld veruntreut und unterschlägt, kann wegen vorsätzlicher Verletzung allgemeiner Berufspflichten grundsätzlich ein Berufsverbot erteilt werden. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Koblenz.

Der Berufs­an­ge­hörige des zugrunde liegenden Falls ist seit mehr als 25 Jahren als Steuerberater tätig. Nachdem seine gut eingeführte Steuer­be­ra­ter­praxis vor etwa 15 Jahren unverschuldet in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, kam es ab dem Jahr 2002 zu einer Vielzahl von Zwangs­voll­stre­ckungs­auf­trägen gegen ihn.

Steuerberater wegen Unterschlagung von Mandantengeld zu Bewäh­rungs­strafe verurteilt

Im Jahr 1998 wurde der Steuerberater wegen Unterschlagung von Mandantengeld zu einer Bewäh­rungs­strafe von neun Monaten verurteilt. Die Kammer für Steuerberater- und Steuer­be­voll­mäch­tig­ten­sachen des Landgerichts Koblenz erteilte dem Steuerberater deshalb einen berufs­recht­lichen Verweis und setzte gegen ihn eine Geldbuße von 5.000,- DM fest.

Im März 2008 wurde der Steuerberater wegen Untreue in Tateinheit mit veruntreuender Unterschlagung von Mandantengeld in Höhe von fast 7.000,- Euro zu einer Geldstrafe verurteilt.

OLG erteilt Berufsverbot für lediglich vier Jahre

Wegen der letztgenannten straf­recht­lichen Verurteilung hat die Kammer für Steuerberater- und Steuer­be­voll­mäch­tig­ten­sachen des Landgerichts Koblenz den Steuerberater mit Urteil vom 18. Mai 2009 wegen pflichtwidriger Berufsausübung aus dem Beruf ausgeschlossen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Berufs­an­ge­hörigen hatte teilweise Erfolg. Der Senat für Steuerberater- und Steuer­be­voll­mäch­tig­ten­sachen des Oberlan­des­ge­richts Koblenz hat lediglich ein Berufsverbot von vier Jahren verhängt.

Berufs­ge­richtliche Ahndung zur Wahrung des Ansehens des Berufes unerlässlich

Das Gericht hat im Urteil ausgeführt, dass der Steuerberater aufgrund des im Strafurteil festgestellten Sachverhalts eine vorsätzliche Berufs­pflicht­ver­letzung nach § 57 Abs. 1 StBerG (im Anhang abgedruckt) begangen hat. Diese Berufs­pflicht­ver­letzung sei so erheblich, dass eine zur bereits verhängten Strafe hinzutretende berufs­ge­richtliche Ahndung zur Wahrung des Ansehens des Berufes unerlässlich sei.

Schwerwiegende Pflicht­ver­letzung nicht mit Verweis oder Geldbuße zu bestrafen

Welche berufs­ge­richtliche Maßnahme (§ 90 StBerG, im Anhang abgedruckt) gegen den Berufs­an­ge­hörigen zu verhängen sei, sei aufgrund einer Gesamtabwägung seiner Tat und Persönlichkeit sowie seines Gesamt­ver­haltens zu entscheiden. Unter Berück­sich­tigung der bisherigen straf­recht­lichen und berufs­recht­lichen Ahndungen erlange die schwerwiegende Pflichtverletzung ein derartiges Gewicht, dass es nicht nochmals mit einem Verweis oder einer Geldbuße sein Bewenden haben könne.

Gericht verneint grundsätzliche Untragbarkeit des Steuerberaters

Die Ausschließung aus dem Beruf als schwerste Maßnahme komme wegen des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes nur in Betracht, wenn sie bei schweren Pflicht­ver­let­zungen zum Schutz eines überragend wichtigen Gemein­schaftsguts, nämlich des Interesses der Allgemeinheit an einer funkti­o­ns­tüchtigen Rechtspflege und der Wahrung des Vertrauens der Rechtssuchenden in die Integrität des Berufsstands, geeignet und erforderlich sei. Die Gesamtabwägung müsse zur Prognose führen, dass der Berufs­an­ge­hörige als Steuerberater nicht mehr tragbar ist, weil von ihm noch eine Gefährdung der Rechtspflege ausgeht. Dies hat das Gericht im Ergebnis verneint, weil auch deutliche Milde­rungs­gründe zugunsten des Berufs­an­ge­hörigen sprachen (kein existenz­ge­fähr­dender Verlust für die Geschädigten; vollständige Schadens­wie­der­gut­machung; Straftat dreieinhalb Jahre zurückliegend, ohne dass neue Verfehlungen bekannt geworden wären; unverschuldete finanzielle Schwierigkeiten als alleiniges Tatmotiv). Das Gericht hat deshalb ein befristetes Berufsverbot ausgesprochen, dessen Dauer er auf vier Jahre festgesetzt hat.

Quelle: ra-online, OLG Koblenz

der Leitsatz

1.) Unterschlagung oder Veruntreuung von Mandantengeld stellt einen schweren Pflich­ten­verstoß des Steuerberaters dar, der über die strafrechtliche Verurteilung hinaus regelmäßig auch eine berufs­rechtliche Ahndung erfordert.

2.) Die Entscheidung, welche berufs­ge­richtliche Maßnahme gegen den Berufs­an­ge­hörigen zu verhängen ist, ist aufgrund einer Gesamtabwägung seiner Tat und Persönlichkeit sowie seines Gesamt­ver­haltens zu treffen.

3.) Die Ausschließung aus dem Beruf als schwerste Maßnahme kommt nach Art. 12 Abs. 1 GG nur in Betracht, wenn sie bei schweren Pflicht­ver­let­zungen zum Schutz eines überragend wichtigen Gemein­schaftsguts, nämlich des Interesses der Allgemeinheit an einer funkti­o­ns­tüchtigen Rechtspflege und der Wahrung des Vertrauens der Rechtssuchenden in die Integrität des Berufsstands, geeignet und erforderlich ist. Die Gesamtabwägung muss zur Prognose führen, dass der Berufs­an­ge­hörige als Steuerberater nicht mehr tragbar ist, weil von ihm noch eine Gefährdung der Rechtspflege ausgeht.

4.) Hat der Steuerberater zum wiederholten Mal und ungeachtet einer straf­recht­lichen Vorverurteilung und berufs­recht­lichen Ahndung Mandantengeld veruntreut oder unterschlagen, ist die Ausschließung aus dem Beruf grundsätzlich gerechtfertigt.

5.) Über die zeitliche Befristung eines Berufsverbots hinaus ist eine Beschränkung des Verbots auf einzelne Hilfeleistungen in Steuersachen oder Berufs­aus­übungs­formen nicht möglich.

§ 57 Abs. 1 Steuer­be­ra­tungs­gesetz (StBerG) lautet wie folgt:

„Steuerberater und Steuer­be­voll­mächtigte haben ihren Beruf unabhängig, eigen­ver­ant­wortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben.“

§ 90 Steuer­be­ra­tungs­gesetz (StBerG) lautet wie folgt:

(1) Die berufs­ge­richt­lichen Maßnahmen sind

1. Warnung,

2. Verweis,

3. Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro,

4. Berufsverbot für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren,

5. Ausschließung aus dem Beruf.

(2) Die berufs­ge­richt­lichen Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße können nebeneinander verhängt werden.

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