21.11.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil09.10.2009

Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft haftet für Heizungskosten eines zahlungs­un­fähigen früheren EigentümersBeiderseitige Rechte und Pflichten ursprünglicher Eigentümer gehen auch auf neu Mitglieder der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaften über

Eine Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft kann zur Zahlung von Heizungskosten verurteilt werden, die teilweise durch den Verbrauch eines früheren, mittlerweile insolventen Wohnungs­ei­gen­tümers angefallen sind. Dies hat das Oberlan­des­gericht Koblenz entschieden.

Die Entscheidung befasst sich mit den Fragen der (teilweisen) Rechtsfähigkeit von Wohnungs­ei­gen­tums­ge­mein­schaften und der Begründung vertraglicher Verpflichtungen durch die Gemeinschaft der Eigentümer. Die Parteien des Rechtsstreits sind benachbarte Gemeinschaften von Wohnungs­ei­gen­tümern in Worms. Der ursprünglich einheitliche Gebäudekomplex verfügte nur über eine Heizungsanlage. Er wurde im Jahr 1964 in drei Grundstücke aufgeteilt. Da sich die Heizanlage im Haus der Klägerin befand, wurde für das Grundstück der Klägerin eine Reallast zugunsten der Eigentümer der beiden Nachbarhäuser eingetragen, um ihre Mitversorgung sicherzustellen. In der Folgezeit wurden die einzelnen Häuser in Wohnungs­ei­gentum aufgeteilt; die Reallasten wurden in die einzelnen Wohnungs­grund­bücher übernommen.

Abrechnung des Verbrauchs von Heizung und Warmwasser

Seit 1995 ermittelte ein Abrech­nungs­dienst den Verbrauch an Heizung und Warmwasser in jeder Wohnung der drei Häuser. Die Verwalterin der Klägerin stellte die sich für das jeweilige Haus ergebende Abrech­nungssumme den beiden Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften der Nachbarhäuser über deren Verwaltung in Rechnung. Die Verwalter der Nachbarhäuser zahlten die Verbrauchs­kosten an die Verwaltung der Klägerin, intern rechneten sie mit den Eigentümern ihrer Gemeinschaft ab.

Neue Eigentümer sehen sich für Altforderungen nicht zuständig

14 der 18 Wohnungen der beklagten Gemeinschaft gehörten einem Eigentümer, der in Insolvenz fiel. Da er keine Wohngeld­zah­lungen mehr an seine Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft – die Beklagte leistete, geriet diese in finanzielle Schwierigkeiten und leistete keine Vorauszahlungen auf Heizungskosten mehr an die Klägerin. Die Abrechnungen der Klägerin für die Jahre 2002, 2003 und 2004 bezahlte die Beklagte nicht. Gleichwohl versorgte die Klägerin dieses Haus weiterhin mit Heizung und Warmwasser. Die Wohnungen des insolventen Eigentümers wurden versteigert. Die nun weitgehend aus neuen Eigentümern bestehende beklagte Gemeinschaft erklärte sich hinsichtlich der Altforderungen der Klägerin für nicht zuständig. Seit Anfang 2005 leistete sie jedoch wieder Abschlags­zah­lungen und akzeptierte auch für die Folgejahre die frühere Abrech­nung­s­praxis.

Klägerin nimmt gesamte Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft auf Zahlung von Heizungs- und Warmwas­ser­kosten in Anspruch

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die beklagte Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft d.h. nicht die einzelnen Eigentümer auf Zahlung der Heizungs- und Warmwas­ser­kosten für die Jahre 2002 bis 2004 in Anspruch genommen, insgesamt 13.763,79 € nebst Zinsen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht sie – als Gemeinschaft der jetzigen Wohnungs­ei­gentümer – sei zur Zahlung verpflichtet; vielmehr hafte nur das jeweilige Sondervermögen der einzelnen Eigentümer.

Das Landgericht Mainz hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Parteien als Gemeinschaft zur Lieferung von Wärme und Warmwasser bzw. deren Bezahlung verpflichtet

Das Oberlan­des­gericht hat in seinem Urteil ausgeführt, die Klägerin könne von der beklagten Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft die Bezahlung der geltend gemachten Heizkosten für die Jahre 2002 bis 2004 verlangen. Nach § 10 Abs. 6 WEG seien die beiden Parteien teilweise rechtsfähig und jeweils als Gemeinschaft zur Lieferung von Wärme und Warmwasser bzw. deren Bezahlung gegenüber der anderen Gemeinschaft als solcher verpflichtet und berechtigt. Auch wenn ein Vertrag nicht ausdrücklich geschlossen wurde, sei von einer wirksamen still­schwei­genden Vereinbarung über die Lieferung von Heizleistung zwischen den jeweiligen Gemeinschaften auszugehen. Die beiderseitigen Rechte und Pflichten der ursprünglichen Eigentümer der benachbarten Häuser in Bezug auf die Heizung seien auf die Mitglieder der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaften übergegangen. Es handele sich um Rechte und Pflichten der Wohnungs­ei­gentümer, die gemein­schaftlich geltend gemacht werden könnten und gemein­schaftlich zu erfüllen seien. Dem habe die Übung zwischen den Parteien Rechnung getragen.

Gegenseitige Rechte und Pflichten müssen durch jeweilige Gemeinschaften, nicht durch einzelne Mitglieder wahrgenommen werden

Die Lieferung der Wärme und des Warmwassers und deren Bezahlung sei im vorliegenden Fall nicht Sache eines jeden Eigentümers, auch wenn Wärme und Warmwasser jeweils im Sondereigentum der Mitglieder der Beklagten verbraucht würden. Bezüglich der Lieferung durch die Klägerin könne hieran kein Zweifel bestehen. Die Heizanlage stehe im Gemein­schafts­ei­gentum aller Miteigentümer dieser Wohnanlage und werde durch den Verwalter betrieben. Die einzelnen Mitglieder der Klägerin wären nicht in der Lage, einen gegen sie persönlich erhobenen Anspruch eines einzelnen Mitgliedes der Beklagten auf Lieferung von Wärme und Warmwasser zu erfüllen. Ebensowenig sei jeder einzelne Eigentümer auf Seiten der Klägerin in der Lage, für die einzelnen Mitglieder der Beklagten die jährliche Heizkos­te­n­a­b­rechnung zu erstellen. Auch könne es ihnen billigerweise nicht zugemutet werden, das Risiko der Zahlungs­un­fä­higkeit oder Zahlungs­un­wil­ligkeit eines einzelnen Mitglieds der Beklagten zu tragen. Es handele sich um gegenseitige Rechte und Pflichten, die sinnvollerweise nur durch die jeweiligen Gemeinschaften, nicht aber durch deren einzelne Mitglieder wahrgenommen werden können. Dies zeige sich auch daran, dass seit 2005 wieder eine gemein­schaftliche Abrechnung stattfinde.

Zum rechtlichen Hintergrund

Nach der früheren höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung wurden Gemeinschaften von Wohnungs­ei­gen­tümern nicht als rechtsfähig angesehen. Sie hafteten deshalb nicht für Verbind­lich­keiten aus dem Wohnungs­ei­gen­tums­ver­hältnis. Vertragspartner waren vielmehr die einzelnen Wohnungs­ei­gentümer.

Durch Beschluss vom 2. Juni 2005 hat sich der Bundes­ge­richtshof der Gegenauffassung angeschlossen, die den Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften Teilrechts­fä­higkeit zuerkennt (vgl. Bundes­ge­richtshof, Beschluss v. 02.06.2005 - V ZB 32/05 -). Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2007 hat der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung in das Wohnungs­ei­gen­tums­gesetz aufgenommen.

§ 10 Abs. 6 WEG lautet wie folgt

„Die Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer kann im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemein­schaft­lichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungs­ei­gen­tümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen. Sie ist Inhaberin der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechts­ge­schäftlich erworbenen Rechte und Pflichten. Sie übt die gemein­schafts­be­zogenen Rechte der Wohnungs­ei­gentümer aus und nimmt die gemein­schafts­be­zogenen Pflichten der Wohnungs­ei­gentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungs­ei­gentümer, soweit diese gemein­schaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Die Gemeinschaft muss die Bezeichnung „Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft” gefolgt von der bestimmten Angabe des gemein­schaft­lichen Grundstücks führen. Sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden.”

Quelle: ra-online, OLG Koblenz

der Leitsatz

Betreibt eine Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft zugleich die Heizungsanlage für eine benachbarte zweite Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft aufgrund von Reallasten, die den jeweiligen Grund­s­tücks­ei­gentümer verpflichten, einerseits die Heizleistungen zu erbringen, andererseits die Kosten nach einem vorgegebenen Schlüssel mitzutragen, kann die insoweit teilrechts­fähige „liefernde” Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft gegenüber der insoweit ebenfalls teilrechts­fähigen „empfangenden” Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft die Zahlung der auf sie entfallenden Kosten verlangen; sie muss sich nicht auf Abrechnung gegenüber den einzelnen Wohnungs­ei­gen­tümern verweisen lassen.

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