15.11.2024
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Dokument-Nr. 2701

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil28.06.2006

Risikohinweise bei Anlageberatung müssen auch mündlich erfolgenRichtige Hinweise im Prospekt allein reichen nicht aus

Eine fehlerhafte mündliche Anlageberatung wird nicht durch zutreffende Risikohinweise im Verkauf­sprospekt ausgeglichen. Das geht aus einem Urteil des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer Finanz- und Wirtschafts­be­ratungs- und Vermittlungs AG, Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Zusammenhang mit dem Erwerb eines Anteils an einem geschlossenen Immobilienfonds. Das Landgericht Mannheim hat der Klage stattgegeben, da ein Mitarbeiter der Beklagten seine Pflicht zur sachgerechten Beratung des Klägers schuldhaft verletzt habe, und hat die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz verurteilt.

Mit ihrer Berufung zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat die Beklagte geltend gemacht, dem Kläger sei der zutreffende und vollständige Prospekt über den geschlossenen Immobilienfonds (Dreiländerfonds DLF 94/17) vor der Beitritts­er­klärung übergeben worden und es habe hinreichend Gelegenheit bestanden, sich mit dem Inhalt des Prospektes zu befassen.

Die Berufung der Beklagten blieb jedoch ohne Erfolg: Bei der Vermittlung und Beratung eines Beitrittes zu einem geschlossenen Immobilienfonds muss nach ständiger Rechtsprechung einem Anleger für seine Beitritt­s­ent­scheidung ein zutreffendes Bild über das Betei­li­gungs­objekt vermittelt werden, er muss über alle Umstände, die für seine Anlage­ent­scheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Betei­li­gungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden. Das danach empfohlene Anlageobjekt hat diesen Kriterien Rechnung zu tragen. Es muss sich auf diejenigen Eigenschaften und Risiken beziehen, die für die Anlage­ent­scheidung des Kunden wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Die Fehler der Anlageberatung und also auch die Verfehlung des Beratungszieles muss der Kläger allerdings beweisen.

Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass die Geldanlage der Altersvorsorge des Klägers dienen sollte und der Mitarbeiter der Beklagten es unterlassen hat, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Fondsanlage um eine unter­neh­me­rische Beteiligung handelt, bei der nicht nur das Risiko schwankender Rendite, sondern auch das Risiko des Totalverlustes des Kapitals besteht. Die Beteiligung war für eine risikolose Altersvorsorge nicht geeignet.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs ein dem Anlage­in­ter­es­senten statt einer mündlichen Aufklärung übergebener Prospekt über die Kapitalanlage allein als Mittel der Aufklärung genügen. Allerdings darf sich der Inhalt des Beratungs­ge­spräches nicht in Widerspruch zum Prospektinhalt setzen und muss den Kunden jedenfalls in groben Zügen über die im Prospekt geschilderten Risiken informieren. Der Prospekt kann nicht Mängel oder Verharmlosungen des Anlagegesprächs ausgleichen, insbesondere dann nicht, wenn kein Hinweis darauf erfolgt, dass die Einzelheiten der Anlage auch hinsichtlich ihrer Risiken im Prospekt nachzulesen seien.

Darüber hinaus muss der Prospekt dem Anlage­in­ter­es­senten so rechtzeitig vor dem Vertrags­ab­schluss überlassen worden sein, dass er seinen Inhalt noch zur Kenntnis nehmen konnte. An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Nach den Zeugenaussagen steht fest, dass der Kläger sein Betei­li­gungs­angebot unmittelbar im Anschluss an das Beratungs­ge­spräch unterzeichnete und bis dahin keine hinreichende Gelegenheit hatte, die jeweils dreispaltig gedruckten Prospekte von teilweise 92 Seiten rechtzeitig zur Kenntnis zu nehmen. Dass der Kläger dies möglicherweise in der vertraglich vereinbarten einwöchigen Widerrufsfrist tun kann, ändert daran nichts, denn der Wider­rufs­be­rechtigte muss vor Beginn der Widerrufsfrist sämtliche maßgeblichen Informationen für seine Anlage­ent­scheidung kennen, um sich in Ruhe nochmals die Vor- und Nachteile des Geschäfts durch den Kopf gehen lassen zu können.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 12.07.2006

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