21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil28.02.2007

Abtrei­bungs­gegner darf Abtreibungen von Ärzten nicht als Mord bezeichnenGynäkologe hat Unter­las­sungs­an­spruch gegenüber Betreiber einer Website

Der Kläger ist ein nieder­ge­lassener Gynäkologe, der auch legale Schwan­ger­schafts­ab­brüche vornimmt. Der Beklagte ist Abtrei­bungs­gegner und betreibt im Internet unter der Domain "www.babycaust.de" eine Website.

Über die Rubrik "Grundsätzliches" auf der Website erreicht man eine Seite, auf der von einem "Holocaust im Mutterschoß" die Rede ist. Über die Rubrik "Leben oder Tod?" gelangt man zu einer Seite, die die Überschrift "Gebetsanliegen für Deutschland" trägt. Von hier aus kommt man durch Anwahl von Buchstaben zu einer umfangreichen, alphabetisch geordneten Liste, in der für zahlreiche Orte in Deutschland Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, mit Namen und Anschrift genannt sind, unter ihnen der Kläger. Unter "Deutsche Zeitgeschichte in Kurzform" heißt es auf der Seite: "Pervertierte Ärzte ermordeten im Auftrag der Mutter die ungeborenen Kinder". Über einen Button gelangt man auf eine Seite, auf der es heißt: "Beten Sie, wenn möglich regelmäßig, für die Mediziner... welche den MORD der Abtrei­bung­s­tötung selbst vornehmen...".

Der Kläger wendet sich gegen die Aufführung seines Namens, weil er durch den Inhalt der Website indirekt als "Mörder" bezeichnet werde. Dadurch werde sein Persön­lich­keitsrecht verletzt.

Der Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, er bezeichne zwar Abtreibung als Mord, nicht aber Ärzte, die Abtreibungen durchführten, als Mörder. Seine Website sei einem umfassenden Kampf des Lebensrechts gewidmet und beschäftige sich nicht nur mit dem Thema Abtreibung, sondern auch mit der Euthanasie und dem Holocaust. Daher werde es seinem Anliegen nicht gerecht, wenn der Kläger einzelne Zitate herausgreife und auf sich beziehe.

Das Landgericht Mannheim hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe hatte Erfolg.

Das Oberlan­des­gericht hat den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, auf seiner Internetseite Abtreibungen, wie sie von dem auf der Internetseite namentlich genannten Kläger vorgenommen werden, als "Mord" zu bezeichnen.

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt: Der Beklagte fordert auf seiner Website dazu auf, für Mediziner, die Abtreibungen vornehmen, zu beten, und spricht in diesem Zusammenhang vom "MORD der Abtrei­bung­s­tötung". Zugleich stellt er eine Liste mit Namen und Anschriften von Kliniken und Ärzten zur Verfügung, die dem konkreten Gebetsanliegen dienen soll. Auf einer anderen Seite, von der aus man gleichfalls zu dieser Liste gelangt, findet sich u. a. die Aussage, "pervertierte Ärzte ermordeten im Auftrage der Mütter die ungeborenen Kinder". Der damit hergestellte Zusammenhang zwischen der Aufforderung zum Gebet und der Liste wird von den Benutzern der Website dahin verstanden, dass der Kläger Abtreibungen durchführt und damit Handlungen, die der Beklagte als Mord bezeichnet.

Der Begriff "Mord" in diesem Zusammenhang erlaubt zwar mehrere Deutungen. Es ist denkbar, dass "Mord" hier nicht im rechts­tech­nischen Sinn zur Bezeichnung eines besonders schwerwiegenden, mit der Höchststrafe belegten Tötungsdelikts zu verstehen ist, sondern lediglich die Vornahme einer Abtreibung als moralisch verwerfliche Tötung des Embryos bewertet werden soll. Es ist aber auch eine Deutung dahin möglich, dass gegen die in der Liste aufgeführten Personen der schwerwiegende und gegen sie persönlich gerichtete Vorwurf einer unmittelbaren Beteiligung an Morden erhoben werden soll. Die Begründung der Aufforderung zum Gebet, nämlich dass die betreffenden Personen sich den Mord der Abtrei­bung­s­tötung vornehmen, der fehlende Hinweis auf die Straffreiheit einer Abtreibung, die den gesetzlichen Anforderungen genügt, die Ausführung, pervertierte Ärzte ermordeten im Auftrage der Mütter die ungeborenen Kinder, der vielfache Vergleich von Abtreibungen mit der Vernichtung von Juden unter der Herrschaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus sprechen für die zweite Deutung; vereinzelt gebrauchte Formulierungen vom "straffreien Mord im Mutterschoß" genügen nicht, um die diese Deutung auszuschließen.

Nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist bei der rechtlichen Beurteilung eines in die Zukunft gerichteten Anspruchs auf Unterlassung künftiger Beein­träch­ti­gungen des Persön­lich­keits­rechts nicht allein die dem Äußernden günstige Deutung zugrunde zu legen. Führt eine der Deutungs­mög­lich­keiten zu einer Verletzung des Persön­lich­keits­rechts des Klägers, ist es demjenigen, der die Äußerung aufgestellt hat, zuzumuten, die Persön­lich­keits­ver­letzung mit Wirkung für die Zukunft durch eine Klarstellung auszuräumen, wenn er die Äußerung nicht so gedeutet wissen will. Nachdem der Beklagte eine entsprechende Klarstellung nicht vorgenommen hat, war er zur Unterlassung zu verurteilen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 12.07.2007

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