23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil25.11.2009

Hersteller von Markenprodukten kann Lieferung an Fachhändler einstellen, wenn die Produkte bei Ebay verkauft werden (Fall Scout und 4You)Selektives Vertriebssystem - Marken­her­steller darf über Vertriebsweg entscheiden

Ein Hersteller von hochwertiger Markenware darf die Lieferung im Rahmen eines selektiven Vertrie­bs­systems an einen Händler stoppen, wenn dieser die Ware anders als vereinbart über ein Inter­ne­t­auk­ti­o­nshaus verkauft. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlruhe entschieden und damit ein Urteil der Vorinstanz bestätigt.

Die Klägerin ist Fachhändlerin u.a. für Koffer, Taschen, Schulranzen und Rucksäcke. Die Beklagte stellt her und vertreibt Schulranzen und Schulrucksäcke der Marken "Scout" und "4YOU". Sie hat Auswahl­kri­terien für "zugelassene Vertrie­b­s­partner" entwickelt, in denen sie qualitative Anforderungen an den Vertrieb der Markenprodukte über Einzel­han­dels­ge­schäfte und (neben diesen bestehende) Internetshops stellt. Ein Verkauf der Produkte über eBay und andere Auktionsformate im Internet wird ausgeschlossen. Die Klägerin verkaufte die Produkte trotz einer Abmahnung der Beklagten einzeln über eBay. Die Beklagte stellte daraufhin die Belieferung ein. Die Klägerin hält den Ausschluss des Vertriebs über Aukti­o­ns­platt­formen für kartell­rechts­widrig und begehrt die weitere Belieferung mit den Markenprodukten.

Landgericht Mannheim bestätigte den Lieferstopp

Das Landgericht Mannheim hat die Klage mit Urteil vom 14.03.2008 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin zum 6. Zivilsenat (Kartellsenat) des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe blieb ohne Erfolg.

OLG Karlsruhe weist Berufung ab - Lieferstopp ist zulässig

Der Senat führt aus, dass die Weigerung der Beklagten zur Lieferung an die Klägerin angesichts des konkreten von der Klägerin praktizierten Vertriebs nicht gegen kartell­rechtliche Vorschriften verstößt.

Qualitatives selektives Vertriebssystem

Die Auswahl­kri­terien für "zugelassene Vertrie­b­s­partner" stellen ein sogenanntes qualitatives selektives Vertriebssystem dar. Solche Vertrie­bs­systeme sind unter bestimmten Voraussetzungen vom Anwen­dungs­bereich des Kartellverbots nach Art. 81 EGV und § 1 GWB ausgenommen. Dabei kommt es u.a. darauf an, dass die Auswahl der Wiederverkäufer an deren fachliche Qualifikation und an die Ausstattung ihres Vertriebs anknüpft und die Anforderungen auf die Eigenschaften der vertriebenen Produkte bezogen sind. Die Anforderungen müssen außerdem einheitlich und diskri­mi­nie­rungsfrei durchgeführt werden.

Hersteller darf entscheiden, wie er die Produkte im Markt positioniert

Das war hier nach Auffassung des Senats der Fall; dabei ist die Entscheidung des Herstellers und Markeninhabers, die Produkte im Markt als hochpreisige Qualitätsware zu positionieren, grundsätzlich zu respektieren. Der Senat ist ferner der Auffassung, dass auch die an den Internetvertrieb gestellten Anforderungen grundsätzlich nicht zu beanstanden sind. Der von der Klägerin praktizierte Einzelvertrieb über eBay ist nach Ansicht des Senats mit diesen zulässigen Auswahl­kri­terien nicht zu vereinbaren, so dass die Weigerung der Beklagten, die Klägerin weiter mit den Markenprodukten zu beliefern, nicht gegen das Kartellverbot verstößt. Dass eBay auch die Möglichkeit eines Vertriebs über sog. eBay-Shops bietet, die nach Darstellung der Klägerin entsprechend den Anforderungen der Beklagten ausgestaltet werden können, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn die Klägerin macht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch.

Kein Verstoß gegen kartell­recht­liches Behinderungs- und Diskri­mi­nie­rungs­verbot

Aus ähnlichen Gründen liegt nach Auffassung des Senats auch ein Verstoß gegen das kartell­rechtliche Behinderungs- und Diskri­mi­nie­rungs­verbot nicht vor. Das Interesse der Klägerin an der zusätzlichen, nach ihrer Darstellung wirtschaftlich günstigen Absatzmethode über die Aukti­o­ns­plattform tritt hinter das anerkannte Interesse des Herstellers zurück, seine Marken durch die Bindung des Vertriebs in seinem Sinne zu positionieren und deshalb die praktizierte Vertriebsform auszuschließen.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Karlsruhe

der Leitsatz

1. Selektive Vertrie­bs­systeme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, sind als ein mit Art. 81 Abs. 1 EGV vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs und damit nicht als Wettbe­wer­bs­be­schränkung anzusehen, sofern sich die Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wieder­ver­käufers und seines Personals und auf seine sachliche Ausstattung bezogen sind; sie müssen ferner einheitlich und diskri­mi­nie­rungsfrei angewandt werden (vgl. EuGH Slg. 1977, 1875 - Metro/SABA I). Das gilt auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 vom 22. Dezember 1999 (Vertikal-GVO).

2. Die Anwendung der genannten Grundsätze ist nicht auf den Vertrieb von Luxuswaren beschränkt, die eine "Aura des Exklusiven" für sich beanspruchen. Sie gelten z.B. auch dann, wenn ein Hersteller von Markenartikeln (hier: Schulranzen und Schulrucksäcke) diese unter Anknüpfung an objektive Produk­t­ei­gen­schaften als hochpreisige Spitzenprodukte positioniert und deshalb Anforderungen an die Wiederverkäufer stellt, die auf eine angemessene Präsentation der Sortimentstiefe, eine fachkundige Beratung und eine Pflege des Markenimage zielen.

3. In einem solchen Fall können auch an den Vertrieb der Markenartikel über das Internet Anforderungen gestellt werden, die den genannten Zielen dienen; auch diese stellen dann keine Wettbe­wer­bs­be­schränkung dar. Wenn die Auswahl­kri­terien in diesem Zusammenhang einen Vertrieb über Aukti­o­ns­platt­formen wie ebay ausschließen, handelt es sich bei diesem Ausschluss ebenfalls um ein objektives, an die Art und Weise des Vertriebs anknüpfendes Auswahl­kri­terium.

4. Macht ein Hersteller von Markenartikeln, der ein solches qualitativ-selektives Vertriebssystem eingerichtet hat, die Belieferung eines Wieder­ver­käufers von der Einhaltung eines Auswahl­kri­teriums abhängig, welches den Vertrieb über Internet-Aukti­o­ns­platt­formen generell ausschließt - unabhängig davon, welche der verschiedenen, von der Aukti­o­ns­plattform angebotenen Vertriebsformen gewählt wird -, so hat die auf Unterlassung dieses Verhaltens gerichtete Klage schon dann keinen Erfolg, wenn dem Marken­her­steller bei der gebotenen umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete, vom Wiederverkäufer gewählte Vertriebsform (hier: Einzelverkauf ohne übergeordnete Präsen­ta­ti­o­nss­truktur) nicht zuzumuten ist.

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