Dokument-Nr. 20472
Permalink https://urteile.news/
- NJW 2015, 1618Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 1618
- Landgericht Baden-Baden, Urteil29.09.2014, 4 O 128/14
Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil14.01.2015
Bezeichnung des Gegners als Betrüger, Lügner, Halunke oder Gauner im politischen Meinungskampf zulässigAntrag des baden-württembergischen Landesvorsitzenden der AfD Bernd Kölmel gegen Ex-Parteimitglied auf Unterlassung von Äußerungen gescheitert
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass im Rahmen des politischen Meinungskampfes auch die Bezeichnung des Gegners als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke oder Gauner zulässig sein kann, sofern es sich bei diesen Äußerungen ihrem Sinn und systematischen Kontext nach um eine bewertende Stellungnahme zu einer die Öffentlichkeit bzw. eine politische Partei interessierende Frage handelt.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Verfügungskläger (fortan: Kläger), baden- württembergischer Landesvorsitzender und Gründungsmitglied der Partei Alternative für Deutschland (AfD), hatte sich in dem einstweiligen Verfügungsverfahren dagegen gewandt, dass der Verfügungsbeklagte (fortan: Beklagter) ihn in einem an Parteimitglieder der AfD adressierten E-Mail-Schreiben als Betrüger, Rechtsbrecher, Halunke, Lügner und Gauner bezeichnet hat. Der Beklagte war früher selbst Mitglied der AfD. Nachdem es im Jahr 2013 zu einem Parteiausschlussverfahren kam, war er freiwillig aus der Partei ausgetreten.
OLG: Beanstandete Äußerungen sind nicht als unzulässige Schmähkritik zu werten
Auf Antrag des Klägers hatte das Landgericht Baden-Baden dem Beklagten die beanstandeten Äußerungen untersagt. Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Das Oberlandesgerichts Karlsruhe ist nicht der Auffassung des Landgerichts gefolgt, wonach es sich hier um Schmähkritik handele, die ohne weitere Abwägung der betroffenen Interessen unzulässig sei. Denn eine Schmähung liege bei einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage nur ausnahmsweise vor und sei eher auf die Privatfehde beschränkt. Wesentliches Merkmal der Schmähung sei eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Davon könne hier keine Rede sein. Die angegriffenen Äußerungen dürften nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr müssten - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch die in der E-Mail gesetzten Links berücksichtigt werden. Dort beanstande der Beklagte den Ablauf der Wahl des Klägers auf den 3. Listenplatz der AfD bei der Europawahl sowie die Durchführung des Gründungsparteitags als fehlerhaft. Bei den Äußerungen des Beklagten handele es sich daher ihrem Sinn und systematischen Zusammenhang nach um die kritisierten parteiinternen Vorgänge zusammenfassende, bewertende Stellungnahmen. Bei der gebotenen Abwägung spreche eine Vermutung für die Zulässigkeit der beanstandeten Äußerungen, da sonst die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung für einen freien und offenen politischen Prozess sei, in ihrem Kern betroffen wäre.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.01.2015
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil20472
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.