21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil12.02.2009

Keine "Bonus-Taler" für Erwerb preisgebundener ArzneimittelAn Erwerb gekoppelter Vorteil stellt einen Verstoß gegen die Arznei­mit­tel­ver­ordnung dar

Für den bloßen Erwerb preisgebundener Arzneimittel dürfen Apotheken keine "Bonus-Taler" an Kunden abgeben. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, die Beklagten sind Inhaber zweier Apotheken. Die Beklagten werben in der öffentlichen Presse mit der Ausgabe von sogenannten D.-Talern, die zum Bezug von Waren des täglichen Bedarfs wie Pralinen, Kaffeebecher, Reisewecker berechtigen und auch in bestimmten anderen Geschäften, z. B. bei Tankstellen, als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Nach der Werbeanzeige erhält man einen Bonustaler u.a. bei Kauf von Ware aus dem Selbst­be­die­nungs­sor­timent, bei berechtigter Reklamation, bei mehr als fünfminütiger Wartezeit, bei fehlender Bevorratung des Produkts. Die Beklagten haben zumindest gelegentlich auch beim bloßen Erwerb verschrei­bungs­pflichtiger preisgebundener Arzneimittel Bonus-Taler an ihre Kunden ausgegeben.

Verstoß gegen Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung?

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten durch die Gewährung der D.-Taler beim Erwerb verschrei­bungs­pflichtiger preisgebundener Arzneimittel gegen die Arzneimittelpreisverordnung verstoßen und damit wettbewerbswidrig handeln.

Landgericht untersagte Abgabe der Bonustaler

Das Landgericht Offenburg hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen für den Erwerb von verschrei­bungs­pflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln den Bonustaler zu gewähren. Die Berufung der Beklagten zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - blieb ohne Erfolg.

Oberlan­des­gericht: Apotheke handelt wettbe­wer­bs­widrig - Verstoß gegen Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung

Die Beklagten handeln wettbe­wer­bs­widrig i.S. der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, wenn sie Bonus-Taler für den bloßen Erwerb von rezept­pflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln gewähren. Die Ausgabe von Bonus-Talern ist in diesen Fällen als Preisnachlass zu bewerten. Die auf der Grundlage von § 78 AMG erlassene Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung schreibt ein Preis­bil­dungs­ver­fahren vor, das zu einem bestimmten einheitlichen Preis für das jeweilige Medikament führt. Der wesentliche Zweck dieser Regelung besteht darin, bei der Abgabe von verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimitteln auf der letzten Handelsstufe, also im Verhältnis zwischen Apotheker und Verbraucher einen Preiswettbewerb auszuschließen, um dadurch eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.

Preis­vor­schriften sind mit EU-Recht vereinbar

Diese arznei­mit­tel­recht­lichen Preis­vor­schriften stehen im Einklang mit unmittelbar anwendbarem Europarecht. Die maßgebliche UPG-Richtlinie berührt nicht nationale Vorschriften im Bereich des Gesund­heits­schutzes, zu denen die gen. Preis­vor­schriften gehören. Belange des Gesund­heits­schutzes als zwingende Gründe des Verbrau­cher­schutzes können demnach Unterschiede in den nationalen Wettbe­wer­bs­regeln rechtfertigen. Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung dieser Preis­vor­schriften eine Ungleich­be­handlung mit ausländischen Anbietern mit sich bringen kann, soweit letztere im Inland nicht an die genannten Vorschriften gebunden sind. Dies ist jedoch als Folge dieser Rechtslage hinzunehmen.

Richter: Kunden werden durch Bonus-Taler beeinflusst

Unzutreffend ist die Ansicht der Berufung, das Bonus-System stelle keine unlautere Geschäftspraxis i. S. der maßgeblichen Richtlinie dar, weil die Gewährung eines Bonus-Talers nicht dazu geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Durch­schnitts­ver­brauchers wesentlich zu beeinflussen. Das Gegenteil ist der Fall. Schließlich verfolgt das Bonus-System das Ziel, in nennenswertem Umfang Kunden beim Arznei­mit­telkauf an die betreffende Apotheke zu binden. Es ist hierzu aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise auch geeignet. Obwohl der wirtschaftliche Wert eines einzelnen Bonus-Talers von ca. ,50 € relativ niedrig ist, lohnt sich das Sammeln der vielseitig verwendbaren Taler durchaus. Dies kann gerade Patienten, die regelmäßig Rezepte einlösen müssen, dazu veranlassen, Stammkunden einer Apotheke mit Bonus-System zu werden.

An Erwerb gekoppelter Vorteil stellt einen Verstoß gegen die Arznei­mit­tel­ver­ordnung dar

Ein Verstoß gegen die Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem sich aus der Verordnung ergebenden Preis abgibt. Die Bestimmungen werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber - gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels - Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen.

Bonus-Taler stellen Rabatt auf das Erstgeschäft dar

Die Gewährung der Bonus-Taler stellt sich hier aus Sicht des Kunden in erster Linie als Rabatt auf das Erstgeschäft über den Kauf preisgebundener Arzneimittel dar. Dies gilt vor allem, weil die Bonus-Punkte auch außerhalb der Apotheke der Beklagten in breitem Umfang für Bedarfs­ge­schäfte des täglichen Lebens ausgegeben werden können. Gerade hierdurch gewinnen sie eine Gelder­satz­funktion, die sie von handelsüblichen geringwertigen Zugaben, aber auch von Bonus-Systemen unterscheidet, bei dem der Bonus nur für nicht preisgebundene Artikel aus dem Sortiment der werbenden Apotheke umgesetzt werden kann. Ob im letztgenannten Fall ein Verstoß gegen die Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung vorliegt, kann dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn die Bonus-Punkte den Kunden in nennenswerter Breite zur Ersparnis alltäglicher Ausgaben einladen, begibt sich die werbende Apotheke auf das durch die Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung verschlossene Gebiet des Preis­wett­bewerbs.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 12.02.2009

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