Dokument-Nr. 20778
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- NJW 2015, 257Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 257
- Amtsgericht Freiburg, Beschluss23.08.2013, 44 F 1232/13
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss22.09.2014
Schmerzensgeldanspruch gegen den Vater bei Beschneidung eines sechsjährigen Kindes ohne medizinische Notwendigkeit und Einwilligung der MutterAnspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des Körpers, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der elterlichen Sorge
Wird ein sechsjähriges Kind auf Veranlassung des Vaters beschnitten, obwohl es dazu keine medizinische Notwendigkeit gab und auch keine Einwilligung der Mutter vorlag, kann dies einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigen. Der Anspruch kann sich aus § 823 BGB und § 1664 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Körpers, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der elterlichen Sorge ergeben. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eltern eines sechsjährigen Kindes waren geschieden. Während die Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht innehatte, verblieb es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. In einer Vereinbarung zum Umgangsrecht einigten sich die Eltern darauf, dass ihr Sohn nicht beschnitten wird. Dennoch kam es während eines Türkeiurlaubs mit dem Vater im Juli 2011 zu einer Beschneidung des Kindes. Eine medizinische Notwendigkeit oder Einwilligung der Mutter lag nicht vor. Da das Kind nach seiner Rückkehr nach Deutschland unter massiven Schmerzen und psychischen Beeinträchtigungen infolge der Beschneidung litt, verlangte es vom Vater ein Schmerzensgeld von mindestens 12.000 Euro. Zunächst beantragte das Kind jedoch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Freiburg als Familiengericht zurück, da es sich hinsichtlich der Schmerzensgeldklage für unzuständig hielt. Dagegen legte das Kind Beschwerde ein.
Verfahrenskostenhilfe war zu bewilligen
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied zu Gunsten des Kindes. Ihm sei Verfahrenskostenhilfe zu gewähren. Denn die Schmerzensgeldklage sei nicht als aussichtslos zu werten. Zum einen sei das Amtsgericht Freiburg für die Klage zuständig und zum anderen komme ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Betracht.
Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des Körpers und des Persönlichkeitsrechts
Ein Schmerzensgeldanspruch könne zunächst nach § 823 Abs. 1 BGB bestehen, so das Oberlandesgericht. Denn durch die Beschneidung sei das Kind in seinem Körper und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Die Beschneidung sei zudem rechtswidrig gewesen. Weder habe eine medizinische Notwendigkeit noch eine Einwilligung der Mutter für den Eingriff vorgelegen. Auf eine eventuelle Einwilligung des sechsjährigen Kindes sei es nicht angekommen, da es ihm angesichts seines Alters an der erforderlichen Einsichtsfähigkeit gefehlt habe.
Schmerzensgeldanspruch aufgrund Verletzung der elterlichen Sorge
Der Schmerzensgeldanspruch ergebe sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts aus § 1664 BGB. Zwar werde durch diese Vorschrift nur der Haftungsmaßstab für die elterliche Haftung bei der Schädigung des Kindes geregelt. Die Vorschrift enthalte aber auch eine selbstständige Anspruchsgrundlage des Kindes gegenüber seinen Eltern, wenn diese bei Ausübung der elterlichen Sorge eine Pflicht verletzen.
Verweis auf Hauptsacheverfahren hinsichtlich Schmerzensgeldhöhe
Hinsichtlich der Schmerzensgeldhöhe verwies das Oberlandesgericht auf das Hauptsacheverfahren.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.03.2015
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (zt/NJW 2015, 257/rb)
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