21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss21.08.2007

Anspruch auf Schmerzensgeld wegen unfreiwilliger Beschneidung eines JungenAntrag auf Prozess­kos­tenhilfe stattgegeben

Die im muslimischen Lebens- und Kulturkreis übliche Beschneidung von Jungen stellt ohne wirksame Einwilligung in die Vornahme des ärztlichen Eingriffs eine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts und rechtswidrige Körper­ver­letzung dar, die ein Schmerzensgeld rechtfertigen kann. Dies hat das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main in einem Prozess­kos­ten­hil­fe­ver­fahren entschieden.

Der Antragsteller begehrte Prozess­kos­tenhilfe für eine Klage, mit der er seinen Vater wegen seiner im 12. Lebensjahr veranlassten Beschneidung auf Zahlung eines Schmer­zens­geldes in Höhe von 10.000 Euro in Anspruch nehmen will.

Die Eltern des Antragstellers sind geschieden. Der Antragsteller wohnt bei seiner Mutter, die auch das alleinige Sorgerecht für ihn hat. Zum fraglichen Zeitpunkt verbrachte er jedoch die Ferien bei seinem Vater, einem streng gläubigen Moslem. Auf dessen Veranlassung hin wurde der Junge von einem Arzt beschnitten. Die Mutter, die nicht Muslima ist, hatte die Beschneidung stets abgelehnt.

Der Prozess­kos­ten­hil­feantrag hatte in 2. Instanz Erfolg, weil dem Antragsteller ein Entschä­di­gungs­an­spruch wegen Verletzung seines allgemeinen Persön­lich­keits­rechts und rechtswidriger Körper­ver­letzung zustehen könne. Sein Vater habe den nicht einsichts- und nicht einwil­li­gungs­fähigen Jungen bewogen, sich der Beschneidung zu unterziehen, ohne Inhaber des elterlichen Sorgerechts zu sein und damit rechtswidrig in dessen Selbst­be­stim­mungsrecht eingegriffen.

Dabei lässt der Senat ausdrücklich offen, ob generell und bis zu welchem Alter die Einwilligung zu einer Beschneidung durch muslimische Eltern als vom Erziehungs- und Sorgerecht umfasst angesehen werden könnte. Die Beschneidung könne, auch wenn sie keine gesund­heit­lichen Nachteile mit sich bringe, im Einzelfall für das kulturell-religiöse und körperliche Selbst­ver­ständnis des Betroffenen von Bedeutung sein. Die Entscheidung hierüber falle deshalb in den Kernbereich des Rechts einer Person, über sich und ihr Leben zu bestimmen. Die Zubilligung eines Schmer­zens­geldes setze nicht voraus, dass der Antragsteller tatsächlich körperliche oder seelische Nachteile erlitten habe oder erleiden werde. Angesichts der Schwere der Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechtes rechtfertige allein schon die Genug­tu­ungs­funktion eine Geldent­schä­digung. In welcher Höhe ein Schmerzensgeld letztlich gerechtfertigt sei, hänge davon ab, ob und inwieweit der Antragsteller langfristig körperliche oder seelische Nachteile erleide oder, wie er behauptet, wegen seiner Andersartigkeit von gleichaltrigen verspottet werde.

Diese Umstände bedürfen nach Auffassung des Senats noch der Darlegung im Einzelnen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die Beschneidung im Allgemeinen für die Sexualität des Mannes keine Bedeutung habe und der Antragsteller noch darlegen müsse, worin gerade für ihn in der Beschneidung ein Leiden liege. Über die endgültige Höhe des Schmer­zens­geldes ist daher nunmehr im Klageverfahren zu befinden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 20.09.2007

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