23.11.2024
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Dokument-Nr. 1410

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Urteil06.12.2005Oberlandesgericht Karlsruhe17 U 169/05, 144/05, 164/05,149/05
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil06.12.2005

Erwerber von Immobilienfonds fechten erfolglos Vergleich mit Sparkasse an

Beim Oberlan­des­gericht Karlsruhe und dem Landgericht Mannheim sind zahlreiche Verfahren anhängig, in denen die Erwerber von Immobilienfonds versuchen, im ersten Quartal des Jahres 2004 geschlossene Vergleiche mit der Sparkasse Rhein Neckar Nord anzufechten. Der Senat hat hier im Einverständnis mit den Parteien vier von diesen ausgewählte Musterverfahren verhandelt.

Die Rechts­vor­gängerin der beklagten Sparkasse hatte den Klägern Darlehen für den Erwerb von Immobilienfonds gewährt. Zur Durchführung und Abwicklung des Anlagen­ge­schäfts einschließlich der Finanzierung hatten die Kläger Ende 1992 eine Steuer­be­ra­tungsGmbH mit notarieller Urkunde beauftragt und ihr darin umfassende Vollmacht erteilt. Die Steuer­be­ra­tungsGmbH schloss, ohne über eine Erlaubnis zur Rechtsberatung zu verfügen, für die Kläger mit der Rechts­vor­gängerin der Beklagten Darle­hens­verträge ab, wobei der Beklagten lediglich eine beglaubigte Abschrift der Vollmachts­urkunde vorlag. Die Kläger leisteten bis 2004 Zinszahlungen an die Beklagte. Teilweise im Februar 2004, teilweise erst Ende April 2004 unterbreitete die Beklagte den Klägern ein einmaliges und befristetes Angebot zum Abschluss eines Vergleichs, in dem es u. a. heißt:

......wie Ihnen vermutlich bekannt ist, haben einige anwaltlich vertretene Kreditnehmer gegen die Sparkasse Klage eingereicht, in welchen u.a. die Wirksamkeit der Treuhand-Vollmacht, die Anwendbarkeit des Haustür­wi­der­rufs­ge­setzes und die Verletzung von Aufklä­rungs­pflichten gerichtlich überprüft werden sollen. Insbesondere seien die Kreditverträge wegen Verstoßes gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz unwirksam. Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat nunmehr mit mehreren Grund­sat­z­ur­teilen vom 20.01.2004, AZ: ...... die Wirksamkeit der Kreditverträge bestätigt und die Ansprüche der Kreditnehmer abgewiesen. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Urteile noch nicht rechtskräftig und keine Ausführungen zu den übrigen vorstehenden Recht­s­ein­wen­dungen enthalten.

Die Kläger unterzeichneten den vorbereiteten Vergleichstext, darin anerkannten sie die bestehende Kreditschuld, verzichteten auf alle bekannten und unbekannten Einwendungen aus dem Kredit­ver­hältnis gegenüber dem Beklagten, im Gegenzug ermäßigte die Beklagte die Darlehenssumme und gewährte einen Darle­hens­son­derzins von 6 %. Ende des Jahres 2004 ließen die Kläger ihre Willen­s­er­klä­rungen durch Anwalts­schreiben wegen arglistiger Täuschung über die tatsächliche Rechtslage und die angebliche Wirksamkeit der Darle­hens­verträge anfechten. Der ursprüngliche Darle­hens­vertrag sei mangels wirksamer Vertre­tungsmacht der Geschäfts­be­sorgerin wegen Verstoßes gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz unwirksam. Die beklagte Sparkasse müsse daher die erbrachten Zinsleistungen zurückzahlen. Der Bundes­ge­richtshof hatte mit Urteil vom 20.04.2004 (XI ZR 164/03) entschieden, dass die Vorlage einer Selbstauskunft, einer Einzugs­er­mäch­tigung sowie einer Notar­be­stä­tigung durch den Geschäfts­be­sorger gegenüber der Bank nicht eine Duldungs­vollmacht zum Abschluss von Darle­hens­ver­trägen begründen kann. Das Landgericht Mannheim hat die Klagen abgewiesen.

Die Berufung der Kläger zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg. Eine arglistige Täuschung der Beklagten liegt weder durch positives Tun noch durch Unterlassen vor. Über die Rechtslage im engeren Sinn hat die Beklagte in ihrem Vergleichs­angebot keine Aussage gemacht. Sie hat vielmehr dort ihren eigenen Rechts­s­tandpunkt vertreten. Das ist nicht anstößig und auch nicht zur Irreführung geeignet. Nach dem maßgeblichen Verständ­nis­ho­rizont eines durch­schnitt­lichen Empfängers des Vergleichs­an­gebots vermittelte das Schreiben der Beklagten nicht den Eindruck, die Rechtslage sei durch die vier Grund­sat­z­urteile des Senats zu ihren Gunsten definitiv und dauerhaft geklärt. Vielmehr weist die Beklagte unmiss­ver­ständlich darauf hin, dass das vom Oberlan­des­gericht gefundene Ergebnis nur vorläufiger Natur sei, weil die Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Eine allgemeine Pflicht zur Offenbarung von Umständen, die für die Entschließung des anderen Teils eines Vertrages von Bedeutung sein können, besteht nicht. Die Beklagte durfte mit dem Vergleichs­angebot eigene Interessen verfolgen, was einschließt, dass sie ihre eigene Position günstig darstellen und beurteilen durfte. Die Kläger wurden davon in Kenntnis gesetzt, dass in den rechtlichen Ausein­an­der­set­zungen das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Ein Anfech­tungsgrund folgt auch nicht daraus, dass die Information insoweit einseitig war, als die Beklagte nicht auf andere oberge­richtliche Entscheidungen hingewiesen wurden. Die Kläger konnten nämlich ohne weiteres, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von anwaltlichem Rat, in Erfahrung bringen, wie der Stand der Rechtsprechung zu den streitigen Rechtsfragen war.

Eine zur Anfechtung berechtigte Täuschung liegt auch nicht darin, dass die Beklagte den Klägern den geänderten Darle­hens­vertrag im Juni 2004 zur Unterschrift sandte, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt möglicherweise schon damit rechnete, dass die Urteile des Senats vom 20.01.2004 höchst­rich­terliche Überprüfung nach Maßgabe der Entscheidungen des 1. Zivilsenats des Bundes­ge­richtshofs vom 20.04.2004 nicht standhalten würden. Die Unterzeichnung des neuen Darle­hens­ver­trages diente nämlich nur dem Vollzug des bereits im März 2004, also vor der fraglichen Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs, geschlossenen Vergleichs. Auch in den Fällen, in denen die Beklagte das Vergleichs­angebot erst Ende April 2004 an die Kläger richtete, also nachdem die Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs vom 20.04.2004 ergangen war, besteht kein Grund für eine Anfechtung. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich lediglich das Ergebnis der Revisi­ons­ver­fahren, nicht jedoch die Begründung der Revisi­ons­urteile bekannt. Die Verfah­rens­be­tei­ligten und erst recht die Beklagte kannten die tragenden Erwägungen des Revisi­ons­ge­richts bis zur Einstellung der Urteile ins Internet am 05.06.2004 nicht. Erst ab diesem Tag bestanden für die Beklagte hinreichende Zweifel, ob die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe einer revisi­ons­ge­richt­lichen Überprüfung würde standhalten können. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs bis zu diesem Zeitpunkt war nämlich die Annahme einer allgemeinen Rechts­scheins­vollmacht nicht ausgeschlossen. Die Wirksamkeit des Vergleichs kann mit Erfolg auch nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten in Zweifel gezogen werden.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Siehe nachfolgend:

Anfechtung von Vergleichen betreffend Finan­zie­rungs­da­rlehen zum Fondserwerb erfolglos (Bundes­ge­richtshof, Beschluss v. 13.03.2007 - XI ZR 327/05, XI ZR 328/05, XI ZR 329/05 -)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 06.12.2005

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