24.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil11.03.2011

OLG Karlsruhe zur immateriellen Geldent­schä­digung für Journalistin bei Erwirkung einer falschen Gegen­dar­stellungWurde Journalistin durch erzwungene Gegen­dar­stellung Opfer einer Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts?

Das Oberlan­des­ge­richts Karlruhe hatte in der Frage zu entscheiden, ob einer Journalistin, die zu einer - eigentlich - falschen Gegen­dar­stellung verurteilt wurde, ein Anspruch auf immaterielle Geldent­schä­digung zusteht.

Im vorliegenden Verfahren begehren die Klägerinnen A und B vom Beklagten X, einem bekannten Fernseh­mo­derator, eine immaterielle Geldent­schä­digung von mindestens 20.000 Euro bzw. 15.000 Euro, weil er durch die Abgabe von falschen eidess­tatt­lichen Versicherungen eine Gegendarstellung gegen einen von A verfassten Artikel erwirkt habe.

X erwirkte Gegen­dar­stellung zum Artikel " X hätte mich fast erwürgt"

Die Klägerin A ist freie Journalistin und Verfasserin des Artikels "X (Beklagter) hätte mich fast erwürgt", der in der Illustrierten "neue woche" vom 18. Juni 2005 erschienen ist und auf den auf der Titelseite hingewiesen worden war: "EXKLUSIV-X-Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an". Die Information zu diesem Artikel hat die Klägerin A von der Klägerin B erhalten, die auf der Titelseite neben X abgebildet ist. X erwirkte im Wege der einstweiligen Verfügung eine auf der Titelseite der "neuen woche" zu veröf­fent­li­chende Gegen­dar­stellung mit dem Wortlaut ..". hierzu stelle ich fest: Weder war die abgebildete Frau meine Geliebte, noch habe ich gegenüber dieser Frau eine Gewalttat verübt."

Verlegerin zum Abdruck der Gegen­dar­stellung verurteilt

Gegen den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hatte sich die Verlegerin der "neuen woche" damals u.a. damit gewehrt, die von X geforderte Gegen­dar­stellung sei wegen offen­sicht­licher Unwahrheit und weil sie irreführend sei unzulässig. Der Senat hat es bei seiner damaligen Entscheidung aber unter Berück­sich­tigung der vorgelegten Versicherungen an Eides statt, auch solcher des X, als nicht glaubhaft gemacht angesehen, dass die geforderte Gegen­dar­stellung offenkundig unwahr sei, und die Verlegerin der "neuen woche" zum Abdruck der Gegen­dar­stellung verurteilt. Im jetzigen Rechtsstreit um die Geldent­schä­digung ist unstreitig geworden, dass X die B nicht gewürgt hat, dass B seine Geliebte gewesen sei, behaupten die Klägerinnen nach wie vor.

Klägerin in ihrer Glaubwürdigkeit als Journalistin geschädigt

Die Klägerinnen wollen eine immaterielle Geldent­schä­digung zum Ausgleich der durch den Beklagten erlittenen Schäden. Der Beklagte habe durch die Abgabe von falschen Versicherungen an Eides statt im Ausgangs­ver­fahren, nämlich durch seine Leugnung intimer Beziehungen zur Klägerin B nicht nur Straf­tat­be­stände tangiert, sondern sich auch des Prozessbetruges schuldig gemacht. Wenn die Gerichte Kenntnis davon gehabt hätten, dass die Versicherung an Eides statt in diesem Punkt unwahr gewesen sei, hätte die einstweilige Verfügung insgesamt nicht erlassen werden können. Die Klägerin A sei durch die falsche Gegen­dar­stellung in doppelter Hinsicht geschädigt. Ihre Berich­t­er­stattung sei als unrichtig denunziert und sie in einer breiten Leseöf­fent­lichkeit bloß gestellt worden, die Beschädigung ihrer journa­lis­tischen Glaubwürdigkeit sei geeignet, sie gewissermaßen wirtschaftlich zu vernichten, ihr Ruf als Journalistin habe nachhaltig Schaden genommen, wenn mögliche Auftraggeber von ihr den Eindruck der Unzuver­läs­sigkeit gewönnen, erhalte sie keine Aufträge mehr. Die Klägerin B als "Informantin und Quelle" sei ebenfalls in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht schwer verletzt, sie sehe sich nicht nur mit dem Vorwurf der Lüge konfrontiert, sondern sei auch vom Beklagten noch mit zwei Strafverfahren überzogen worden.

Das Landgericht Offenburg hat die Klagen abgewiesen.

Die Berufung der Klägerinnen zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.

Geldent­schä­digung bei schwerwiegenden Eingriff in Persön­lich­keitsrecht

Dem Opfer einer Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts stehe zum Ausgleich immaterieller Schäden ein Anspruch auf Geldent­schä­digung dann zu, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handle und die Beein­träch­tigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne.

X eher als Opfer einer Verletzung des Persön­lich­keits­rechts anzusehen

Von einer schweren Verletzung der Persön­lich­keits­rechte der Klägerinnen könne hier auch nicht annähernd die Rede sein. Der Streitfall sei dadurch geprägt, dass die Klägerin B den X fälschlich einer Gewalttat zu ihrem Nachteil ("Würgen") bezichtigt habe und dass die Klägerin A diese Geschichte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und den X gewissermaßen an den Pranger gestellt habe. Dieser unstreitige Sachverhalt beinhalte in der Tat eine schwere Verletzung des Persön­lich­keits­rechts, aber eine solche des Beklagten X, nicht eine der Klägerinnen. Hieran ändere sich auch dann nichts, wenn man unterstellen wollte, die Klägerin B sei tatsächlich "Geliebte" des X gewesen und dessen in Sachen "Gewalttat" unstreitig richtige Versicherung an Eides statt sei in dem Punkt "Geliebte" falsch gewesen. Diese unterstellte Lüge wäre zwar wegen ihrer Einkleidung in eine Versicherung an Eides statt rechtlich durchaus bedenklich, menschlich aber bis zu einem gewissen Punkt verständlich als Reaktion auf die üble Nachrede seitens einer Person, die dem "Geschädigten" irgendwie etwas näher gestanden haben werde als andere Zeitgenossen. In jedem Fall sei das Abstreiten besonderer Beziehungen in gewisser Hinsicht auch durch die falsche Bezichtigung herausgefordert.

A voreilig Lügengeschichte über X ohne gebotene Vorsicht verbreitet

Auch bei der Klägerin A könne von einer schweren Verletzung des Persön­lich­keits­rechts keine Rede sein. Allen im Medienrecht Tätigen sei geläufig, dass im Gegen­dar­stel­lungsrecht grundsätzlich weder bei der Erstmitteilung noch bei der Entgegnung eine Prüfung des Wahrheits­gehalts stattfinde und dass daher neben wahren Gegen­dar­stel­lungen in der Praxis auch solche vorkämen, in denen Unwahrheiten stünden. Von daher sei es fernliegend, dass eine Journalistin der yellow press nachhaltigen Schaden an ihrem beruflichen Renommee davontragen solle, bloß weil sie sich eine Gegen­dar­stellung "eingefangen" habe. Sollte die Klägerin A aber tatsächlich Schaden erlitten haben, läge dies viel weniger an der im wirklich gravierenden Teil "Gewalttat" ja unstreitig zutreffenden Versicherung an Eides statt des Beklagten X, sondern daran, dass die Klägerin A blauäugig oder voreilig einer dreisten Lügengeschichte aufgesessen sei und diese dann ohne die gebotene Vorsicht weiter­ver­breitet hat. Dafür aber trage nicht der Beklagte die Verantwortung, sondern neben der Klägerin A vor allem ihre Informantin und Streitgenossin B. Diese, nicht aber der von ihr zu Unrecht einer Gewalttat bezichtigte Beklagte X, habe der A für etwa aufgetretenen Ansehensverlust geradezustehen.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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