15.11.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 14954

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil18.12.2012

Gesetzliche Kranken­ver­si­che­rungen haften für falsche Leistungs­zusagen ihrer MitarbeiterSozia­l­leis­tungs­träger sind verpflichtet Auskünfte richtig, klar, unmiss­ver­ständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen

Wenn ein Mitarbeiter falsche Angaben zum Leistungsumfang macht, dann haftet hierfür die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe in seiner Entscheidung bekanntgegeben.

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin nach einem Beratungs­ge­spräch mit dem Mitarbeiter K. der beklagten gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung zu dieser gewechselt. Die Klägerin ließ sich wegen einer Krebserkrankung natur­heil­kundlich behandeln, kaufte unter anderem Nahrungs­er­gän­zungs­mittel, Vitamine, Dinkelkaffee, Kräuterblut, Natron, Mineral­ta­bletten und Bierhefe.

Rechnungen der Versicherten aus Privatvermögen des Mitarbeiters beglichen

Die Belege für die von ihr zum Teil verauslagten Kosten für diese natur­heil­kundliche ärztliche Behandlung, die Nahrungs­er­gän­zungs­mittel, auch für Zahnreinigung, Praxisgebühren sowie Zuzahlungen für Massagen und für Medikamente reichte sie bei K. zur Weiterleitung an die Beklagte ein. K. beglich die Rechnungen jedoch aus seinem Privatvermögen, da die geltend gemachten Kosten nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung umfasst waren. Nachdem mittlerweile nicht unerhebliche Zahlungs­rück­stände aufgetreten waren, erstattete K. im Jahr 2010 gar keine Kosten mehr. Darauf wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die so erstmals von dem Sachverhalt Kenntnis erlangte und eine Kostenübernahme ablehnte.

Kranken­ver­si­cherung lehnt nach Bekanntwerden des Falles Leistungen ab

Die Klägerin hat behauptet, K. habe ihr vor dem Wechsel zugesichert, dass die Kranken­ver­si­cherung sämtliche Kosten der medizinischen Versorgung übernehmen würde. Die Beklagte hat dies bestritten und geltend gemacht, dass die Kosten­po­si­tionen nicht erstat­tungsfähig und medizinisch nicht erforderlich seien. Die Klägerin treffe ein die Schaden­s­er­satz­pflicht ausschließendes Mitverschulden, die Zusage ihres Mitarbeiters K. sei derart lebensfremd gewesen, der Umfang der gesetzlichen Leistungen auch allgemeinhin bekannt, so dass die Klägerin nicht auf die Zusage habe vertrauen dürfen.

Berufung der Kranken­ver­si­cherung gegen erstin­sta­nz­liches Urteil erfolglos

Nach Vernehmung mehrerer Zeugen hat das Landgericht Mosbach die Beklagte dazu verurteilt, von den geltend gemachten Kosten in Höhe von ca. 7.500 Euro ca. 2.500 Euro an die Klägerin zu bezahlen. Die dagegen erhobene Berufung der Kranken­ver­si­cherung zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.

Kranken­ver­si­cherung haftet bei Amtspflicht­ver­let­zungen

Der Senat hat ausgeführt: Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Tätigkeit als öffentliche Sozia­l­ver­si­cherung hoheitlicher Leistungs­ver­waltung zuzuordnen ist. Sie haftet damit gemäß § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG bei Amtspflicht­ver­let­zungen. Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung obliegt der Beklagten bzw. ihren Mitarbeitern, die als Beamte im haftungs­recht­lichen Sinn anzusehen sind, die Verpflichtung zu geset­zes­kon­formem Verwal­tungs­handeln. Sozialleistungsträger wie die Beklagte sind zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung verpflichtet, Auskünfte und Belehrungen sind grundsätzlich richtig, klar, unmiss­ver­ständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen. Eine Verletzung der dem Mitarbeiter K. obliegenden Amtspflicht zur zutreffenden Beratung über den Umfang der Leistungen der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung liegt vor.

Vertrauen der Klägerin auf Richtigkeit der Auskünfte schutzwürdig

Das Vertrauen der Klägerin auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskünfte ist auch schutzwürdig gewesen. Grundsätzlich darf nämlich der Bürger von der Rechtmäßigkeit der Verwaltung ausgehen. Eine Verläss­lich­keits­grundlage ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn er die Unrichtigkeit der Auskunft kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Aufgrund der Komplexität des Sozia­l­ver­si­che­rungs­rechts und der Verzahnung der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung mit anderen Sozia­l­ver­si­che­rungs­be­reichen kann nicht davon ausgegangen werden, dass in der Öffentlichkeit der Leistungsumfang auch in den Details in der Weise bekannt ist, dass sich der Klägerin die Unrichtigkeit der Auskünfte des Mitarbeiters K. hätte aufdrängen müssen. Die Klägerin hat sich jeweils telefonisch beim Mitarbeiter K. erkundigt, ob die Leistung von der Beklagten übernommen wird, nach dessen jeweiliger Bestätigung musste sie die Richtigkeit der Auskünfte nicht anzweifeln. Nachdem die Koste­n­er­stattung bis 2008 beanstan­dungslos funktionierte, musste sie aus dem Fehlen von Abrech­nungs­un­terlagen keine die Verlässlichkeit der Auskünfte in Frage stellenden Schlüsse ziehen. Bei Auftreten der ersten Zahlungs­ver­zö­ge­rungen hat der Mitarbeiter K. die Klägerin sowie weitere Kunden aus dem Bekannten- und Familienkreis der Klägerin jeweils vertröstet und plausibel erscheinende Erklärungen dafür angeboten, wie Syste­mum­stellung, Fehlbuchung, Fortbildung, Einstellung neuer Sachbearbeiter. Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin den Angaben des Mitarbeiters K. blind vertraute und sich besseren Erkennt­nis­mög­lich­keiten geradezu verschlossen hat. Der Mitarbeiter K. handelte auch vorsätzlich und schuldhaft.

Der Klägerin ist ein Schaden in Höhe von ca. 2.500 Euro entstanden, die weiter geltend gemachten Kosten waren nicht erstat­tungsfähig, da sie nie Gegenstand einer ärztlichen Verordnung waren oder die Klägerin nicht beweisen konnte, dass sie von ihr auch bezahlt worden sind.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ ra-online

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