23.11.2024
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Sie sehen einen Mann mit einem Jagdgewehr im Anschlag.

Dokument-Nr. 4439

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil27.04.2007

Verkauf von Soft-Air-Pistolen mit einer Bewegungs­energie von mehr als ,08 Joule bis ,5 Joule an Minderjährige kann strafbar seinFeststel­lungs­be­scheid des Bundes­kri­mi­nalamtes hat keine Rechtswirkung im Strafverfahren

Wer Soft-Air-Pistolen mit einer Bewegungs­energie von mehr als ,08 Joule bis ,5 Joule an Minderjährige verkauft, kann sich strafbar machen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe jedenfalls für den Fall entschieden, dass solche Feder­druck­pistolen nicht entsprechend der europäischen Spiel­zeu­grichtlinie mit einem CE-Kennzeichen versehen sind.

Im Ausgangs­ver­fahren hatte das Amtsgericht die Inhaberin eines Waffen­ge­schäftes aus dem nordbadischen Raum mit Urteil vom 27.4.2006 vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz (WaffG) freigesprochen, obwohl diese im Juli 2005 zwei Soft-Air-Pistolen an zwei Minderjährige verkauft hatte. Die hiergegen eingelegte Revision der Staats­an­walt­schaft hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe nunmehr verworfen und damit den Freispruch des Amtsgerichts im Ergebnis bestätigt. Der Senat ist dabei jedoch davon ausgegangen, dass die Angeklagte mit dem Verkauf der beiden Soft-Air-Pistolen an Minderjährige objektiv gegen das WaffG verstoßen hatte (§§ 52 Abs. 3 Nr. 7, 34 Abs.1 Satz 1 WaffG).

Bei den von der Angeklagten verkauften Soft-Air-Pistolen handelte es sich um Feder­druck­pistolen, die von ihrem äußeren Erschei­nungsbild echten Schusswaffen nachgebildet waren. Mit ihnen konnten Rundkugeln aus Weichplastik oder aus hartem Kunststoff mittels Federkraft mit einer Bewegungs­energie von mehr als ,08 Joule bis ,5 Joule verschossen werden. Diese Pistolen waren nicht mit einem CE-Kennzeichen versehen. Das Amtsgericht hat angenommen, dass diese Pistolen an sich nach dem WaffG verboten seien, weil sie von dessen Anwendung nur dann ausgenommen werden, wenn sie zum Spiel bestimmt sind und aus ihnen nur Geschosse mit einer Bewegungs­energie von nicht mehr als ,08 Joule verschossen werden können. Es ist jedoch davon ausgegangen, dass sich diese Rechtslage durch einen Feststel­lungs­be­scheid des Bundes­kri­mi­nalamtes vom 18.6.2004 geändert habe. Unter Berufung auf die sog. Europäische Spiel­zeu­grichtlinie vom 3.5.1988 hatte dieses hierin die Energiegrenze für Spielzeugwaffen allgemein auf ,5 Joule angehoben. Nach diesem Bescheid wäre der Verkauf von Soft-Air-Pistolen mit einer Bewegungs­energie von bis zu ,5 Joule allgemein erlaubt.

Anders nun der 1. Strafsenat des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe. Dieser ist dabei zunächst davon ausgegangen, dass aufgrund des Wortlauts des Feststel­lungs­be­scheides des Bundes­kri­mi­nalamtes vom 18.6.2004 die Energiegrenze für Spielzeugwaffen ohne jede Differenzierung allgemein auf ,5 Joule angehoben und deshalb der gesetzlich festgelegte Energie­grenzwert von ,08 Joule für alle Spielzeugwaffen (vgl. hierzu die abgedruckte Anlage 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr. 1 zu § 2 WaffG) modifiziert werden sollte. Durch diesen Bescheid konnte aber das WaffG nicht geändert werden. Der Geset­zes­wortlaut sei insoweit eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Bei der Neufassung des WaffG durch das Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11.10.2002 habe sich der Gesetzgeber wegen der bestehenden gesund­heit­lichen Risiken bei der Verwendung von Spiel­zeug­schuss­waffen bewusst für eine Absenkung des Energie­grenz­wertes von vormals ,5 Joule auf ,08 Joule entschieden. Das Bundes­kri­mi­nalamt sei nach den Vorschriften des WaffG (§§ 2 Abs. 5 i.V.m. 48 Abs.3 WaffG) aber nur zur Klärung bestehender Zweifel ermächtigt, ob ein bestimmter Gegenstand von den Regelungen des WaffG erfasst wird oder wie dieser nach den Regelungen des WaffG einzustufen ist. Solche Zweifel lägen aber wegen der eindeutigen Rechtslage nicht vor, denn nach dem WaffG seien Soft-Air-Pistolen mit einer Bewegungs­energie von mehr als ,08 Joule bis ,5 Joule eindeutig verboten. Dem Bescheid des Bundes­kri­mi­nalamtes komme aber keine Gesetzeskraft zu, weshalb er das Waffengesetz nicht abändern könne und für Straf­ver­fol­gungs­be­hörden und Strafgerichte nicht bindend sei.

Für den vorliegend zu entscheidenden Fall kam es danach allein darauf an, dass die Angeklagte entgegen § 34 Abs.1 Satz 1 WaffG eine erlaub­nis­pflichtige Schusswaffe einem Nicht­be­rech­tigten überlassen hatte. Obwohl sie dadurch gegen das WaffG verstoßen hatte, ist der Senat vom Vorliegen eines sog. unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 StGB) ausgegangen, weil sie auf die Verbindlichkeit des Feststel­lungs­be­scheides des Bundes­kri­mi­nalamt vom 18.6.2004 vertrauen durfte. Der Senat hat deshalb den Freispruch des Amtsgerichts Karlsruhe im Ergebnis bestätigt und die Revision der Staats­an­walt­schaft als unbegründet verworfen.

Hinweis auf die Rechtslage:

§ 52 Abs. 3 WaffG

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.-6. ...

7. entgegen § 34 Abs.1 eine erlaub­nis­pflichtige Schusswaffe oder erlaub­nis­pflichtige Munition einem Nicht­be­rech­tigten überlässt.

§ 34 WaffG

(1) Waffen oder Munition dürfen nur an berechtigte Personen überlassen werden.

§ 2 WaffG

(1) Der Umgang mit Waffen oder Munition ist nur Personen gestattet, die das 18. Lebensjahr vollendet haben

Anlage 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr. 1 zu § 2 WaffG Unterabschnitt 2. Vom Gesetz ausgenommene Waffen:

1. Schusswaffen (Anlage 1 Abschnitt 1 Nr.1.1.), die zum Spiel bestimmt sind, wenn aus ihnen nur Geschosse verschossen werden können, denen eine Bewegungs­energie von nicht mehr als ,08 Joule (J) erteilt wird, es sei denn,

- sie können mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen so geändert werden, dass die Bewegungs­energie über ,08 Joule steigt oder

- sie sind getreue Nachahmungen von Schusswaffen im Sinne der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1., deren Erwerb der Erlaubnis bedarf.

Feststel­lungs­be­scheid des Bundes­kri­mi­nalamt vom 18.6.2004 (KT 21/ZV 25-55164.01 - Z - 33):

... Einstufung von Spielzeugwaffen, hier: Festlegung der Energiegrenze

Aufgrund des § 2 Abs. 5 des Waffengesetzes vom 11.10.2002 ergeht der folgende Feststel­lungs­be­scheid:

Zur waffen­recht­lichen Regelung von Schusswaffen, die zum Spiel bestimmt sind, wird festgestellt: Als Spielzeug gelten alle Erzeugnisse, die dazu gestaltet oder offensichtlich bestimmt sind, von Kindern im Alter bis 14 Jahren zum Spielen verwendet zu werden. Die Kennzeichnung dieser Erzeugnisse mit dem CE-Kennzeichen kommt eine dahingehende Indizwirkung zu, auf die europäische Spiel­zeu­grichtlinie (Richtlinie des Rates vom 3.5.1988 zur Angleichung der Rechts­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug - 88/378/EWG -, geändert durch Richtlinie 93/68/EWG vom 22.7.1993 wird verwiesen.

Die Herabsetzung der Geschossenergie auf ,08 Joule im Waffenrecht ergibt auf europäischer Ebene Probleme dahingehend, dass Geschoss­s­pielzeug, das gemäß den Anforderungen der Spiel­zeu­grichtlinie i.V.m. der DIN-Norm EN 71.1 mit einer Bewegungs­energie bis zu ,5 Joule ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht wird, unter das Waffengesetz fällt und damit von Kindern unter 14 Jahren nicht benutzt werden darf. Durch diese Regelung im Waffenrecht wird das Inver­kehr­bringen dieser Produkte ein Handelshemmnis i.S.d. Art.4 der Spiel­zeu­grichtlinie aufgebaut.

Vor dem Hintergrund des dargelegten Widerspruchs zwischen Waffenrecht und europäischem Recht in diesem Punkt wird bis zu einer Angleichung des Waffenrechts die Energiegrenze für Spielzeugwaffen i.S.d. Anlage 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr.1 zu Art. 2 Abs. 3 WaffG auf ,5 Joule festgelegt. (Unter­strei­chungen vom Verfasser)

Wichtiger Hinweis zu Soft-Air-Pistolen mit CE-Kennzeichnung:

In der Senat zu entscheidenden Fallkon­stel­lation kollidierte die Annahme, dass die von der Angeklagten verkauften Soft-Air-Pistolen unter das WaffG fallen, bereits deshalb nicht mit der Europäischen Spiel­zeu­grichtlinie, weil diese nicht mit einem CE-Kennzeichen versehen waren. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine mit einem CE-Kennzeichen versehene Spielzeug-schusswaffe aus dem Anwen­dungs­bereich des WaffG ausgenommen sein könnte, wenn diese entsprechend der Zweiten Verordnung zum Geräte- und Produkt­si­cher­heits­gesetz (Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug vom 21.12.1989, zuletzt geändert am 6.1.2004 - 2. GPSGV) in Verbindung mit der Europäischen Spiel­zeu­grichtlinie ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht ist, hat der Senat nicht ausdrücklich entschieden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Kralsruhe vom 26.06.2007

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