21.11.2024
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Dokument-Nr. 23223

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Oberlandesgericht Jena Beschluss07.03.2016

Alltagssorge eines betreuenden Elternteils umfasst nicht Impfent­scheidung für KindEntscheidung für Impfung der Kinder betrifft keine Angelegenheit des täglichen Lebens im Sinne von § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB

Das einen betreuenden Elternteil zustehende Recht zur Alltagssorge des Kindes gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst nicht das Recht über Impfungen des Kindes zu entscheiden. Denn die Entscheidung für Impfung des Kindes betrifft keine Angelegenheit des täglichen Lebens. Vielmehr handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 1628 BGB, so dass das Familiengericht die Entscheidung über die Impfung einem Elternteil übertragen kann. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Jena hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall stritten sich die getrennt lebenden Eltern einer Tochter über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen. Während die Kindesmutter, bei der die Tochter lebte, präventive Schutzimpfungen ablehnte und nur im Falle einer konkreten Anste­ckungs­gefahr mit erheblichen Folgen eine Impfung zulassen wollte, befürwortete der Kindesvater vorbehaltlos die Durchführung alter­s­ent­spre­chender Schutzimpfungen. Aufgrund des Streits beantragte der Kindesvater, ihm die alleinige Gesund­heitssorge zu übertragen.

Amtsgericht übertrug Kindesvater Entschei­dungs­be­fugnis über Impfung

Das Amtsgericht Erfurt wies den Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der alleinigen Gesund­heitssorge für die Tochter als zu weitgehend zurück. Es übertrug ihm aber das Entschei­dungsrecht über die Durchführung von Impfungen. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Kindesmutter. Sie vertrat die Meinung, dass ihr die Impfentscheidung obliege, da ihr als betreuender Elternteil die Alltagssorge zustehe.

Oberlan­des­gericht verneint Recht zur Impfent­scheidung aufgrund Alltagssorge

Das Oberlan­des­gericht Jena verneinte ein Recht der Kindesmutter über die Impfung der Tochter aufgrund der Alltagssorge gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entscheiden. Denn wegen der mit einer Impfung ebenso mit einer Nichtimpfung potentiell verbundenen gesund­heit­lichen Folgewirkung liege eine erhebliche Bedeutung im Sinne von § 1628 BGB vor, so dass das Familiengericht die Entscheidung über die Impfung einem Elternteil auf Antrag übertragen kann. Einen solchen Antrag habe der Kindesvater gestellt.

Übertragung der Impfent­scheidung auf Kindesvater

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts sei dem Kindesvater die Entscheidung über die Impfung der Tochter zu übertragen. Denn dieser sei wegen seiner aufge­schlossenen Haltung bezüglich einer Impfvorsorge besser geeignet, eine kindes­wohl­konforme Entscheidung zu treffen. Dadurch wird den Bedürfnissen der Tochter am besten Rechnung getragen, insofern eine Impfung nach dem allgemeinen Stand medizinischer Wissenschaft geboten erscheine, um der Gefahr gravierender, zum Teil nicht behandelbarer Erkrankungen zu begegnen. Davon sei hinsichtlich den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen auszugehen.

Beschränkung der Entschei­dungs­kom­petenz auf von STIKO empfohlenen Impfungen

Die vom Amtsgericht umfassend übertragene Entschei­dungs­kom­petenz hielt das Oberlan­des­gericht für zu weitgehend. Vielmehr sei diese auf die von der STIKO empfohlenen Impfungen (Tetanus, Diphterie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken) zu beschränken.

Schutzimpfung nur aus konkretem Anlass ungeeignet zum Schutz des Kindes

Soweit die Kindesmutter Schutzimpfungen nur aus konkretem Anlass zu lassen wollte, hielt das Oberlan­des­gericht für ungeeignet, gesundheitliche Gefahren von dem Kind abzuwenden. Denn unter Umständen käme die Impfung zu spät, da sie erst nach der Ansteckung erfolge. Zudem sei eine Impfung für ein durch eine Verletzung belastetes Immunsystem deutlich riskanter, als dies bei einem gesunden und unversehrten Kind der Fall sei. Darüber hinaus fehle es an zuverlässigen Kontroll­me­cha­nismen, mit denen die Kindesmutter sicherstellen könne, jederzeit Gefahrenherde zu erkennen, um zeitnah Impfmaßnahmen ergreifen zu können.

Quelle: Oberlandesgericht Jena, ra-online (vt/rb)

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