In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger aus Herne Ende 2009 beim beklagten Autohaus in Bochum einen neuen Pkw Renault Scénic 2. 16 V zum Preis von ca. 20.300 Euro erworben. Das Verkaufsprospekt bewarb das Fahrzeug (ohne Zusatzausstattung) mit nach dem Messverfahren gem. EU-Richtlinie RL 80/1268/EWG ermittelten Kraftstoffverbrauchswerten. Nachdem der Beklagten keine Nachbesserung gelang, trat der Kläger im April 2010 vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges, da nach seiner Behauptung das Fahrzeug einen erheblich höheren Verbrauchswert hatte, als im Verkaufsprospekt angegeben war. Der Autohändler sah dies anders. Seiner Meinung nach stelle der höhere Verbrauchswert keinen Mangel dar, da die tatsächlichen Verbrauchswerte von der Zusatzausstattung und der individuellen Nutzung abhänge. Die im Verkaufsprospekt angegebenen Verbrauchswerte werden demgegenüber nach einem herstellerübergreifenden standardisierten Messverfahren ermittelt, der eben nicht die tatsächlichen Verhältnisse wiederspiegelt.
Die vom Autokäufer erhobene Klage wurde vom Landgericht Bochum stattgegeben. Denn das Fahrzeug habe wegen der Nichteinhaltung der Verbrauchswerte einen Sachmangel aufgewiesen (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB). Nach Feststellungen eines Sachverständigen habe der kombinierte Kraftstoffverbrauch unter Testbedingungen mit 8,6 l/100km 11,7 % über der Herstellerangabe von 7,7 l/100km gelegen. Der Autohändler legte gegen das Urteil Berufung ein.
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte das Urteil des Landgerichts. Der Kläger habe die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen dürfen (§ 346 Abs. 1 BGB). Denn er sei zum Rücktritt berechtigt gewesen (§§ 437 Nr. 2, 323 BGB), weil dem Fahrzeug eine Beschaffenheit fehle, die der Kläger nach dem Verkaufsprospekt habe erwarten dürfen. Somit habe ein Sachmangel vorgelegen (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 BGB).
Zwar müsse ein verständiger Autokäufer wissen, so das Oberlandesgericht weiter, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen und der individuellen Fahrweise des Käufers abhänge und daher nicht mit den Angaben im Verkaufsprospekt gleichgesetzt werden dürfe. Der Käufer könne aber erwarten, dass die im Prospekt angegebenen Werte unter Testbedingungen reproduzierbar seien. Dies sei hier aber nach dem Sachverständigengutachten nicht der Fall gewesen. Die von dem Sachverständigen festgestellten erhöhten Verbrauchswerte stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar, weil der im Verkaufsprospekt angegebene Verbrauchswert um mehr als 10 % überschritten werde.
Die Abweichungen der Verbrauchswerte seien nach Ansicht des Oberlandesgerichts auch als erhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB anzusehen gewesen. Erheblich sei eine Pflichtverletzung immer dann, wenn der im Verkaufsprospekt angegebene kombinierte Verbrauchswert um mehr als 10 % überschritten werde (vgl. BGH, Beschl. v. 08.05.2007 - VIII ZR 19/05). Dies sei hier bei einem Mehrverbrauch von 11,7 % der Fall gewesen.
Von dem von der Beklagten zurückzuzahlenden Kaufpreis sei allerdings ein Abzug von ca. 3.000 Euro zu machen, die der Kläger als Entschädigung für die bisherige Fahrzeugnutzung zu leisten habe (§ 346 Abs. 1 und 2 BGB).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.03.2013
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)