23.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil17.01.2017

Zur Haftung einer Radfahrers beim Unfall nach Missachtung der Verkehrs­re­gelung "rechts vor links"Vorfahrts­berechtigtes Fahrzeug trifft Mitverschulden wegen Verletzung der allgemeinen Rücksicht­nahme­pflicht

Ein Radfahrer, der eine in Form eines Rondells ausgestaltete Straßenkreuzung überquert, bei der die Vorfahrtsregel "rechts vor links" gilt, verletzt die Vorfahrt eines von rechts in das Rondell einfahrenden Kraftfahrzeuges, wenn nicht sichergestellt ist, dass er das Rondell vor dem Kraftfahrzeug räumen kann. Wird er vom Fahrer des Kraftfahrzeugs übersehen, kann diesen ein Mitverschulden an dem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge treffen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm unter Abänderung der erstin­sta­nz­lichen Entscheidung des Landgerichts Münster.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im August 2014 näherte sich die seinerzeit 78 Jahre alte Klägerin aus Münster mit ihrem Fahrrad einer Straßenkreuzung. Die Kreuzung ist in Form eines Rondells angelegt. Es gilt die Vorfahrtsregel "rechts vor links". Die Klägerin beabsichtigte, das Rondell an der gegen­über­lie­genden Einmündung zu verlassen, es somit quasi in Gerade­aus­richtung zu überqueren. Aus der aus Sicht der Klägerin rechts gelegenen Straße näherte sich die Beklagte mit ihrem Pkw VW Golf. Beide Fahrzeug­füh­re­rinnen fuhren in das Rondell und verunfallten. Zwischen den Einmündungen der Straßen prallte das Fahrrad der Klägerin auf die vordere linke Ecke des Fahrzeugs der Beklagten.

Klägerin verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld

Die Klägerin zog sich einen schwerwiegenden Bruch des Schie­n­bein­kopfes zu, der aufgrund eines kompli­ka­ti­o­ns­reichen Heilungs­ver­laufes mehrfach operativ versorgt werden musste. Von der Beklagten und dem Haftpflicht­ver­si­cherer des Fahrzeugs verlangt sie Schadensersatz. Unter Anrechnung vorprozessual gezahlter 4.000 Euro begehrt sie Ersatz eines materiellen Schadens, insbesondere einen Haushalts­füh­rungs­schadens, von noch ca. 4.000 Euro und ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro.

OLG rechnet Klägerin Mitver­schul­den­santeil von 60 % an

Das Landgericht Münster gab der Schaden­s­er­satzklage überwiegend statt und rechnete der Klägerin ein 20 %-iges Mitverschulden zu. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht Hamm den Mitver­schul­den­santeil der Klägerin mit 60 % bemessen und der Klage - aufgrund der weiter aufklä­rungs­be­dürftigen Schadenshöhe - hinsichtlich des Schmer­zens­geldes und des Haushalts­füh­rungs­schadens dem Grunde nach mit einer 40 %-igen Haftungsquote der Beklagten stattgegeben.

Klägerin ist Missachtung der Vorfahrts­re­gelung anzulasten

In dem Verkehrsunfall habe sich die durch ein Verschulden erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten, aber auch ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin ausgewirkt, so das Oberlan­des­gericht. Der Klägerin sei eine Vorfahrtsverletzung anzulasten. Als sie in den Kreuzungs­bereich eingefahren sei, habe sie das Fahrzeug der Beklagten als bevorrechtigtes Fahrzeug erkennen können und auch erkannt. Den Vorrang dieses Fahrzeugs habe sie beachten und es vor dem Überqueren der Kreuzung passieren lassen müssen. Vor dem Fahrzeug der Beklagten habe die Klägerin nur dann in die Kreuzung einfahren dürfen, wenn sichergestellt gewesen sei, dass sie die Kreuzung auch vor der vorfahrts­be­rech­tigten Beklagten habe räumen können. Das Unfallereignis zeige, dass dies im vorliegenden Fall nicht gewährleistet gewesen sei. Dass der Beklagten ebenfalls ein Verkehrsverstoß anzulasten sei, entlaste die Klägerin nicht, weil ein vorschrifts­widriges Verhalten des Vorfahrts­be­rech­tigten sein Vorfahrtsrecht grundsätzlich nicht entfallen lasse.

Beklagte verletzt durch Übersehen der Radfahrerin allgemeine Rücksicht­nah­me­pflicht

Auch die Beklagte treffe ein gravierendes Verschulden an der Entstehung des Unfalls. Beim Einfahren in das Rondell hab sie das bereits in das Rondell eingefahrene Fahrrad der Klägerin offensichtlich übersehen und daher ihre allgemeine Rücksicht­nah­me­pflicht verletzt. Hätte sie auf die Klägerin geachtet, wäre der Unfall für sie dadurch zu vermeiden gewesen, dass sie ihrer Einfahrt in das Rondell zurückgestellt hätte. Sie sei zwar bevorrechtigt gewesen. Dies gebe ihr aber nicht das Recht, ihr erkennbar durch die Klägerin verletztes Vorfahrtsrecht ohne Rücksicht auf die Klägerin durchzusetzen.

Haftungsquote von 60 % zulasten der Klägerin gerechtfertigt

Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschul­dens­beiträge an der Entstehung des Unfalls rechtfertigten eine Haftungsquote von 60 % zulasten der Klägerin und von 40 % zulasten der Beklagten.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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