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Oberlandesgericht Hamm Beschluss10.05.2016

Keine Strafbarkeit der Tötung von männlichen EintagskükenFehlende Strafbarkeit wegen Tötung eines Wirbeltiers ohne vernünftigen Grund (§ 17 Nr. 1 des Tierschutz­ge­setzes)

Die Tötung von männlichen Eintagsküken durch einen Geflügel­zucht­betreiber ist nicht gemäß § 17 Nr. 1 des Tierschutz­ge­setzes (TierSchG) strafbar. Denn zum einen besteht dafür ein vernünftiger Grund. Zum anderen bedarf die Änderung einer jahrelangen Straflosigkeit der Tötung gemäß Art. 103 Abs. 2 GG einer gesetz­ge­be­rischen Entscheidung über die Strafbarkeit. Dies hat das Oberlan­des­gericht Hamm entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Geflü­gel­zucht­be­treiber wurde wegen der Tötung von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund (§ 17 Nr. 1 TierSchG) angeklagt, da er männliche Eintagsküken tötete. Das Landgericht Münster ließ jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht zu, da es keine Strafbarkeit sah. Aufgrund der jahrzehn­te­langen Straflosigkeit der Tötung, bedürfe es seiner Ansicht nach gemäß Art. 103 Abs. 2 GG einer gesetz­ge­be­rischen Entscheidung über die Strafbarkeit. Zudem bestehe ein vernünftiger Grund für die Tötung von männlichen Eintagsküken. Gegen diese Entscheidung legte die Staats­an­walt­schaft sofortige Beschwerde ein.

Keine Strafbarkeit wegen der Tötung männlicher Eintagsküken

Das Oberlan­des­gericht Hamm bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies daher die sofortige Beschwerde der Staats­an­walt­schaft zurück. Das Töten männlicher Eintagsküken durch den Geflü­gel­zucht­be­treiber sei nicht gemäß § 17 Nr. 1 TierSchG strafbar.

Vorliegen eines vernünftigen Grundes

Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts habe ein vernünftiger Grund zum Töten der Tiere bestanden. Ein solcher sei dann anzunehmen, wenn er als triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen sei, und wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiege als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit. Das Tierschutz­gesetz strebe nicht an, Tieren jegliche Beein­träch­tigung ihres Wohlbefindens zu ersparen. Vielmehr werde es vom Prinzip der Verhält­nis­mä­ßigkeit beherrscht. Als vernünftige Gründe seien im Allgemeinen alle erdenklichen ökonomischen Ziele, die Nutzung des Tieres zu Nahrungszwecken des Menschen oder zu wissen­schaft­lichen Zwecken sowie der Verwendung als Futtermittel anerkannt.

Gesetzgeber geht von bisheriger Straflosigkeit aus

Das Oberlan­des­gericht verwies zudem darauf, dass es Verordnungen gebe, die umfangreiche und detaillierte Regelungen über das technische Verfahren zur Tötung von männlichen Eintagsküken enthalten. Der Verord­nungsgeber müsse also davon ausgegangen sein, dass das Töten von männlichen Eintagsküken spezieller Legerassen nach dem Schlupf aus wirtschaft­lichen Gründen bzw. zur Vermeidung wirtschaft­licher Nachteile zulässig sei. Darüber hinaus seien die jüngsten Bestrebungen und Geset­zes­vorhaben zur Änderung der Strafbarkeit der routinemäßigen Tötung der männlichen Eintagsküken zu beachten. Diese wären überhaupt nicht erforderlich, wenn das Töten männlicher Eintagsküken bereits nach derzeitiger Gesetzeslage strafbar wäre.

Keine automatische Änderung der Strafbarkeit durch veränderte Wertvor­stel­lungen

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts habe darüber hinaus das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die bloße Änderung der ethischen Vorstellung und der Wertvor­stel­lungen in der Bevölkerung zu der Beziehung zwischen Mensch und Tier nicht ohne weiteres dazu führen dürfe, dass die jahrelang angewandte und aus Sicht der Behörden stets geduldete Praxis des Tötens männlicher Eintagsküken nunmehr ohne gesetz­ge­be­rische Entscheidung strafbar sein soll. Dies stelle ein Verstoß gegen das Bestimmt­heitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB dar.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

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