18.10.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil21.06.2016

Handel mit Canna­bis­pro­dukten zu nicht ausschließlich gewerblichen oder wissen­schaft­lichen Zwecken strafbarOLG Hamm klärt illegalen Verkauf von Canna­bis­pro­dukten

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass der Handel mit Canna­bis­pro­dukten aus einem Anbau mit zertifiziertem Saatgut oder mit einem Wirkstoffgehalt von weniger als ,2 % THC (Tetra­hydro­cannabinol) illegal ist, wenn er nicht ausschließlich gewerblichen oder wissen­schaft­lichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: In den Jahren 2011/2012 unterhielt der heute 42 Jahre alte Angeklagte aus Höxter in Steinheim einen sogenannten Head-Shop. In diesem bot er unter anderem Industriehanf aus einem Anbau mit zertifiziertem Saatgut zum Verkauf an, zum Teil als Räucherhanf oder als Inhalt von sogenannten Duftkissen. An einen Kunden aus Karlshuld soll er 5 kg Hanf mit mindestens 10 g THC und damit einem Wirkstoffgehalt von über ,2 % geliefert haben, die der Kunde weiter­ver­äußerte. Einem weiteren Kunden aus Schmelz soll er nach einer Inter­net­be­stellung zwei Hanfduftkissen mit jeweils 30 g Hanf übersandt haben, die der Kunde zum Teil zu Rauschzwecken verwandte.

AG verurteilt Angeklagten wegen unerlaubten Handels mit Betäu­bungs­mitteln

Das zunächst mit dem Fall befasste Amtsgericht Höxter verurteilte den Angeklagten aufgrund der genannten Taten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu­bungs­mitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von einem Jahr und fünf Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus.

LG verneint schuldhaftes Handeln des Angeklagten

Auf die Berufung des Angeklagten sprach das Landgericht Paderborn den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei. Es sah die vom Angeklagten vertriebenen Canna­bis­produkte als verkehrsfähig an und meinte, der Angeklagte habe in Bezug auf den Wirkstoffgehalt jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt. Unter anderem habe er den Wirkstoffgehalt der bezogenen Hanfprodukte nicht auf einen Wert von über ,2 % THC überprüfen müssen.

Vom Angeklagten vertriebene Canna­bis­produkte stellen keine verkehrsfähigen Betäu­bungs­mittel dar

Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision der Staats­an­walt­schaft war vorläufig erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückverwiesen. Die Feststellungen des Landgerichts Paderborn rechtfertigten keinen Freispruch, so das Oberlan­des­gericht. Die vom Angeklagten vertriebenen Canna­bis­produkte seien grundsätzlich nicht verkehrsfähige Betäu­bungs­mittel. Das Landgericht sei im vorliegenden Fall zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Betäu­bungs­mit­tel­gesetz (BtMG) den infrage stehenden Vertrieb ausnahmsweise gestatte. Die einschlägige Ausnah­me­vor­schrift in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG setze nicht nur voraus, dass die Canna­bis­produkte aus einem Anbau mit zertifiziertem Saatgut stammten und einen bestimmten THC-Gehalt nicht überstiegen. Voraussetzung sei außerdem, dass der Verkehr mit diesen Produkten ausschließlich gewerblichen oder wissen­schaft­lichen Zwecken diene, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschlössen. Die Ausnah­me­re­gelung diene nicht dazu, die Bevölkerung mit THC-schwachen Canna­bis­pro­dukten zu persönlichen Konsumzwecken zu versorgen und solle nicht das generelle Cannabisverbot aufweichen. Ein zulässiger gewerblicher Zweck im Sinne der Ausnah­me­be­stimmung sei erst dann gegeben, wenn der Hanf zu einem unbedenklichen Produkt, wie z.B. Papier, Seide oder Textilien weiter­ver­a­r­beitet werden solle. Der bloße Konsum sei kein zulässiger gewerblicher Zweck in diesem Sinne. Deswegen müsse auch bei der Weitergabe von Canna­bis­pro­dukten aus einem zertifizierten Anbau gewährleistet sein, dass die Abnehmer ausschließlich die Weiter­ver­a­r­beitung zu unbedenklichen Produkten beabsichtigten. Erst unbedenkliche Canna­bis­produkte dürften dann an einen Endbenutzer abgegeben werden.

Ausnahmefall für möglichen zulässigen Vertrieb vom LG nicht ausreichend geprüft

Einen derartigen Ausnahmefall habe das Landgericht nicht hinreichend geprüft. Es habe nicht festgestellt, dass die vom Angeklagten veräußerten Canna­bis­produkte ausschließlich den gesetzlich zulässigen gewerblichen oder wissen­schaft­lichen Zwecken gedient hätten bzw. dienen sollten. Auch habe es nicht festgestellt, dass die mit dem Vertrieb verfolgten Zwecke einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen und die abgegebenen Produkte nur einen geringen THC-Gehalt aufgewiesen hätten, letzteres habe jedenfalls für einen Teil der vertriebenen Produkte nicht zugetroffen.

Betreibern von Headshops obliegen gesteigerte Erkundigungs- und Prüfungs­pflichten

Die vorgenannten Feststellungen seien im vorliegenden Fall auch nicht deswegen entbehrlich, weil sich der Angeklagte in einem seine strafrechtliche Verant­wort­lichkeit ausschließenden, unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe. Als Betreiber eines sogenannten Headshops hätten ihm gesteigerte Erkundigungs- und Prüfungs­pflichten oblegen. Dass er diesen nachgekommen sei und dabei eine Auskunft erhalten habe, nach der er auf die Rechtmäßigkeit seines Handelns vertrauen durfte, sei nicht festgestellt.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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