21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss03.07.2014

Inhaftierte sind allein aufgrund medizinischer Erwägungen ärztlich zu behandelnBei nicht gewährleisteter korrekter ärztlicher Behandlung ist Verlegung in andere Justiz­vollzugs­anstalt gerechtfertigt

Im Justizvollzug ist ein Inhaftierter allein aufgrund medizinischer Erwägungen ärztlich zu behandeln. Um eine derartige ärztliche Behandlung eines in Unter­su­chungshaft befindlichen Angeklagten zu gewährleisten, kann das Haftgericht ausnahmsweise auch die Verlegung des Angeklagten in eine andere Justiz­vollzugs­anstalt anordnen. Das hat der 3. Strafsenat des Oberlan­des­ge­richts Hamm mit Beschluss vom 03.07.2014 entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 40-jährige Angeklagte aus Porta-Westfalica befindet sich seit November 2013 in Unter­su­chungshaft. Im Januar 2014 verurteilte ihn das Landgericht Bielefeld wegen unerlaubter Einfuhr von und unerlaubtem Handel mit Betäu­bungs­mitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Nach der vom Angeklagten eingelegten Revision ist das Urteil nicht rechtskräftig. Der Angeklagte befindet sich weiterhin in Unter­su­chungshaft.

Anstaltsarzt beendet Substitution

Eine aufgrund seiner Betäu­bungs­mit­te­l­ab­hän­gigkeit begonnene Substi­tu­ti­o­ns­be­handlung setzte der Angeklagte nach seiner Inhaftierung im November 2013 in der Justizvollzugsanstalt unter Aufsicht des Anstaltsarztes durch die Einnahme von ihm überlassenem Polamydon fort. Nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Angeklagten und dem Anstalts­personal gekommen war, entschied der Anstaltsarzt, die Substitution zu beenden und reduzierte die dem Angeklagten verabreichten Dosen Polamydon.

LG erklärt die vom Anstaltsarzt beendete Substitution für rechtswidrig

Auf Antrag des Angeklagten erließ daraufhin die Strafkammer des Landgerichts Bielefeld am 7. März 2014 eine vorläufige Anordnung mit dem Inhalt, dass die Substitution bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache fortzusetzen sei. Mit weiterem Beschluss vom 3. April 2014 stellte die Strafkammer fest, dass die ungeachtet der einstweiligen Anordnung vom Anstaltsarzt beendete Substitution rechtswidrig gewesen sei, ohne dass der Angeklagte jedoch einen Anspruch auf Wiederaufnahme der Substi­tu­ti­o­ns­be­handlung habe. Letzteres sei eine medizinische Entscheidung, die dem Ermessen des Anstaltsarztes unterfalle.

Angeklagter beantragt Verlegung in andere Justiz­voll­zugs­anstalt

Der Angeklagte hat daraufhin am 9. April 2014 seine Verlegung in eine andere Justiz­voll­zugs­anstalt beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass es der Anstaltsarzt abgelehnt habe, die Substitution wieder aufzunehmen, solange noch ein "Verfahren laufe". Vertrauen in eine angemessene Kranken­be­handlung in der Anstalt habe er, der Angeklagte, nicht mehr.

Ärztliche Entscheidungen müssen ausschließlich auf Basis medizinischer Erwägungen getroffen werden

Der Verle­gungs­antrag hatte Erfolg. Nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm besteht ein gewichtiger Grund, den Angeklagten in eine andere Justiz­voll­zugs­anstalt zu verlegen. Dieser ergebe sich aus dem Umstand, dass der Angeklagte objektiv begründet jedwedes Vertrauen in eine angemessene ärztliche Behandlung in der derzeitigen Justiz­voll­zugs­anstalt verloren habe und eine solche Behandlung gegenwärtig nicht gewährleistet sei. Eine angemessene ärztliche Behandlung des Angeklagten im Vollzug sei nur dann gegeben, wenn ärztliche Entscheidungen ausschließlich auf der Basis medizinischer Erwägungen (Indikation/Nichtindikation) getroffen würden. Aufgrund der zurückliegenden Vorfälle bestünden begründete Zweifel daran, dass dies in der derzeitigen Justiz­voll­zugs­anstalt gewährleistet sei. Das rechtfertige die Verlegung des Angeklagten in eine andere Justiz­voll­zugs­anstalt.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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