21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss17.06.2016

Ehepartner ist im Zugewinn­ausgleichs­verfahren zur Aufklärung eines Irrtums über tatsächliche Eigentums­verhältnisse verpflichtetBewusst unterlassene Aufklärung kann zu wirtschaftlich erheblicher Benachteiligung des Ehepartners führen

Nehmen beide Ehegatten in einem aus Anlass ihrer Scheidung durchgeführten Zugewinn­ausgleichs­verfahren zunächst irrtümlich an, dass ein von ihnen auf einem Erbbau­grundstück gemeinsam errichtetes Haus in ihrem hälftigen Miteigentum steht, kann der tatsächlich allein erbbau­be­rechtigte Ehegatten den anderen über die Tatsache seines Alleineigentums aufzuklären haben, wenn er während des Verfahrens von diesem Irrtum erfährt. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und änderte damit die erstin­sta­nzliche Entscheidung des Amtsgerichts Ahaus ab.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beteiligten Eheleute aus einer Gemeinde im Kreis Borken schlossen im Jahre 1999 die Ehe. Der heute 45 Jahre alte Ehemann war Inhaber eines Erbbaurechts an einem örtlichen Grundstück, auf dem die Ehegatten nach der Heirat gemeinsam ein Einfamilienhaus mit einem heutigen Gesamtwert von ca. 236.000 Euro errichteten. Im Jahre 2012 trennte sich die heute 41 Jahre alte Ehefrau vom Ehemann und zog mit den gemeinsamen drei Kindern aus dem Haus aus. In dem in der Folgezeit durchgeführten Schei­dungs­ver­bund­ver­fahren begehrte die Ehefrau u.a. den Zugewinnausgleich. Die insoweit angestellten Berechnungen beider Ehegatten gingen zunächst übereinstimmend davon aus, dass beide hälftige Miteigentümer des errichteten Hauses seien. Auf dieser Grundlage verständigten sich die Eheleute im Wege eines im Jahre 2014 abgeschlossenen Teilvergleichs darauf, dass der Ehemann gegen Zahlung von 15.000 Euro sämtliche vermö­gens­recht­lichen Ansprüche der Ehefrau ausgleicht. Nach dem Abschluss des Vergleiches erfuhr die Ehefrau, dass ihr Mann alleiniger Inhaber des Erbbaubrechts war. Dieser Umstand war dem Ehemann aus Anlass einer Überprüfung des Erbbaurechts einige Wochen vor dem Vergleichs­ab­schluss bekannt, im Schei­dungs­ver­fahren dann aber von ihm nicht mitgeteilt worden. Nachdem der Ehefrau die tatsächlichen Eigen­tums­ver­hältnisse bekannt geworden waren, focht sie den Teilvergleich an und verlangte die Fortsetzung des Zugewin­n­aus­gleichs­ver­fahrens. Dem ist das Amtsgericht Ahaus mit dem angefochtenen Beschluss nicht gefolgt, weil es den Teilvergleich als wirksam angesehen hat.

Ehefrau wurde durch bewusst unterlassene Aufklärung arglistig getäuscht

Die Beschwerde der Ehefrau war erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm stellte fest, dass das erstin­sta­nzliche Verfahren auf Ausgleich des Zugewinns fortzuführen ist. Den Teilvergleich habe die Ehefrau wirksam angefochten, so das Gericht. Beim Vergleichs­schluss sei sie von ihrem Ehemann über ihr vermeintliches hälftiges Miteigentum an dem Haus - von dem die Eheleute zunächst über lange Zeit hinweg übereinstimmend ausgegangen waren - durch bewusst unterlassene Aufklärung arglistig getäuscht worden und deswegen zur Anfechtung berechtigt. Die ihm noch vor dem Vergleichs­schluss bekannt gewordene Rechtstatsache, dass aufgrund seines alleinigen Erbbaurechts an dem Grundstück auch das Eigentum an dem hierauf gemeinsam errichteten Haus allein ihm zustehe, habe der Ehemann im vorliegenden Fall ungefragt offenbaren müssen. In der Annahme ihres hälftigen Miteigentums am Haus habe die Ehefrau einen erheblich geringeren Zugewin­n­aus­gleichs­an­spruch errechnet. Die Fehlvorstellung über die tatsächlichen Eigen­tums­ver­hältnisse an dem Haus - bei der es sich nicht etwa um eine den anderen Ehegatten nicht zur Aufklärung verpflichtende rein rechtlich falsche Beurteilung handele - sei für ihre Zustimmung zum Vergleich ausschlaggebend gewesen. Nachdem beide Eheleute im Verfahren über einen längeren Zeitraum und auch übereinstimmend von ihrem Miteigentum ausgegangen seien, sei die Ehefrau nicht mehr gehalten gewesen, diese Tatsache vor dem Vergleichs­ab­schluss zu überprüfen. Demgegenüber sei der Ehemann, der die Fehlvorstellung durch seinen Vortrag zunächst noch bekräftigt habe, nach Bekanntwerden der tatsächlichen Eigen­tums­ver­hältnisse gehalten gewesen, diese im Verfahren ungefragt zu offenbaren. Ihm sei bekannt gewesen, dass der vom hälftigen Miteigentum ausgehende Vergleichs­betrag seine Ehefrau wirtschaftlich erheblich benachteilige und sie beim Aufdecken der Fehlvorstellung einen deutlich höheren Zugewin­n­aus­gleich fordern würde.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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