15.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil02.09.2013

Kein Anspruch auf Schadensersatz bei hypothetischer Patienten­ein­willigungPatientin hat bei Komplikationen nach Heparin­be­handlung ohne ärztliche Aufklärung nicht zwingend Anspruch auf Schadensersatz

Einer Patientin, bei der sich im Verlauf einer therapie­begleitenden Heparin­be­handlung schmerzhafte Hämatome gebildet haben, steht ein Schadens­ersatz­anspruch dann nicht zu, wenn sie der - fehlerfrei durchgeführten - Behandlung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt hätte. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die 57jährige Klägerin aus dem Münsterland litt an einer Entzündung des peripheren Nervensystems (Plexusneuritis) und erhielt im beklagten Krankenhaus in Münster begleitend zu einer stationären Corti­son­therapie durch Injektionen verabreichtes Heparin. Im Verlauf dieser Behandlung bildeten sich bei ihr Hämatome im Bereich der Rektusscheide und im Beckenbereich. Ersteres wurde bei einem Bauchschnitt festgestellt, mit dem zunehmend schmerzhafte Beschwerden der Klägerin abgeklärt werden sollten, letzteres durch ein MRT. Mit der Begründung, die Heparin­be­handlung sei nicht indiziert gewesen und durchgeführt worden, ohne sie ordnungsgemäß aufzuklären, verlangte die Klägerin vom Beklagten Krankenhaus Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro.

OLG verneint Haftung des Krankenhauses

Das Schaden­s­er­satz­be­gehren blieb jedoch erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Hamm entschied, dass die Tatsache, dass die Klägerin über die mit einer Heparin­be­handlung verbundenen Risiken nicht aufgeklärt worden sei, im vorliegenden Fall keine Haftung der Beklagten begründe.

Ablehnung der Heparingabe wäre bei objektiver Betrachtung medizinisch unvernünftig gewesen

Es sei nämlich davon auszugehen, dass die Klägerin der Heparin­be­handlung auch bei Vornahme der gebotenen Aufklärung zugestimmt hätte (hypothetische Einwilligung). Deren Voraussetzungen habe zwar der behandelnde Arzt zu beweisen. Der Patient müsse jedoch in den Fällen, in denen die Ablehnung der Behandlung medizinisch unvernünftig gewesen wäre, plausible Gründe darlegen und das Gericht davon überzeugen, dass er sich in einem echten Entschei­dungs­konflikt befunden hätte. Letzteres sei der Klägerin nicht gelungen. In ihrem Fall sei eine Ablehnung der Heparingabe bei objektiver Betrachtung medizinisch unvernünftig gewesen.

Klägerin war zur Durchführung der Corti­son­therapie stark motiviert

Nach den Feststellungen des medizinischen Sachver­ständigen habe die Corti­son­therapie bei der Klägerin mit einer Herpa­rin­be­handlung begleitet werden müssen, um den mit der Cortisongabe verbundenen schwerwiegenden Risiken von Thrombosen und Embolien entge­gen­zu­wirken. Zur Durchführung der Corti­son­therapie sei die Klägerin stark motiviert gewesen, weil sie infolge der Nerven­ent­zündung unter erheblichen Beschwerden gelitten habe und drohende bleibende Nervenschäden vermieden werden sollten.

Pflicht zur Aufklärung über Rektus­schei­den­hämatom bestand nicht

Demgegenüber seien die Risiken der Heparingabe, über die die Klägerin aufzuklären gewesen wäre, vergleichsweise gering gewesen. Diese bestünden in Verhärtungen, Hämatomen, Verletzung von Hautnerven beim Einstich und einer allergischen Reaktion. Über das Risiko eines Rektus­schei­den­hä­matoms sei regelmäßig nicht aufzuklären, weil es extrem selten sei und in aller Regel folgenlos ausheile.

Klägerin wurde bereits zuvor ohne erhebliche Komplikationen mit Heparin behandelt

Bei der Klägerin sei zudem zu berücksichtigen, dass sie bereits im Jahre 2006 im Krankenhaus der Beklagten ohne erhebliche Komplikationen mit Heparin behandelt worden sei und vor Beginn der Heparin­be­handlung im Jahre 2007 dieser Versorgung vertraut habe, was dafür spreche, dass sie die Behandlung auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung akzeptiert hätte.

Ärztliche Fehler nicht feststellbar

Ärztliche Fehler bei der Indikation und der Verabreichung des Heparins sowie bei der Behandlung der sich anschließenden Komplikationen der Klägerin habe der Sachverständige ebenfalls nicht feststellen können.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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