21.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil17.08.2015

Hygienemangel: Kontaminierte Handschuhe durch Berühren der Kranken­zimmer­tür­klinke stellen keinen groben Behand­lungs­fehler darNicht jeder Verstoß gegen medizinische Hygie­ne­standards ist als groben Behand­lungs­fehler anzusehen

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass es einen Hygienemangel darstellt, wenn ein Kranken­haus­pfleger eine Abszedierung an der Hand einer Patientin eröffnet und dabei Handschuhe trägt, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt hatte. Der Hygienemangel begründet aber keine Haftung des beklagten Krankenhauses, wenn die Patientin nicht nachweisen kann, dass ihr durch den Mangel ein Gesund­heits­schaden entstanden ist. Ihr kommt keine Beweis­la­st­umkehr zugute, weil der infrage stehende Verstoß gegen den medizinischen Standard nicht als grob zu bewerten ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1956 geborene klagende Patientin aus Dortmund litt unter Wirbel­säu­len­be­schwerden und musste sich zum Jahreswechsel 2011/2012 im beklagten Krankenhaus in Dortmund notfallmäßig behandeln lassen. Für wenige Tage erhielt sie zunächst einen Venen­ver­weil­ka­tether auf dem linken Handrücken und einen Schmerztropf. Nach dem Entfernen des Katheters zeigte sich eine Entzündung der Vene (Throm­bo­phlebitis) an der Einstichstelle, es bildete sich eine kleine Abszedierung. Diese wurde auf Anordnung des behandelnden Arztes von einem Kranken­haus­pfleger eröffnet. Dabei trug der Pfleger Handschuhe, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt hatte. In der Folge heilte die Throm­bo­phlebitis - mit Salbenverbänden und antibiotisch therapiert - aus. Bei einer weiteren stationären Behandlung der Klägerin Ende Januar 2012 in einer Bochumer Klinik zeigte sich eine Infektion der Bandscheiben im Bereich der Lendenwirbel (Spondy­lo­diszitis). Im Blut der Klägerin fanden sich Erreger des Bakteriums Staphylokokkus aureus.

Klägerin verlangt Schmer­zens­geldes in Höhe von 25.000 Euro

Wegen Hygienemängel und wegen behaupteter weiterer Behandlungsfehler hat die Klägerin die beklagte Klinik und den Chefarzt ihrer orthopädischen Abteilung auf Schadensersatz verklagt, u.a. auf Zahlung eines Schmer­zens­geldes von 25.000 Euro.

OLG verneint Haftung begründenden Behand­lungs­fehler

Die Klage blieb jedoch erfolglos. Nach der Einholung eines medizinischen Sachver­stän­di­gen­gut­achtens konnte das Oberlan­des­gericht Hamm keine Behand­lungs­fehler feststellten, die eine Haftung der Beklagten begründen. Ein Behand­lungs­fehler sei - so das Oberlan­des­gericht - nur insoweit bewiesen, als der Pfleger beim Eröffnen der Abszedierung an der Hand der Klägerin Handschuhe getragen habe, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt und diese dadurch kontaminiert hatte. Dass die Handschuhe infolge des Anfassens der Türklinke bereits als kontaminiert anzusehen gewesen seien, habe der medizinische Sachverständige bestätigt.

Hygienemangel führt nicht zur Haftung

Dieser Hygienemangel führe aber nicht zur Haftung der Beklagten. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass (erst) beim Eröffnen der Abszedierung Erreger in ihren Körper gelangt seien, die dann zu einer Entzün­dungs­re­aktion und in deren Folge zu der Spondy­lo­diszitis geführt hätten. Der medizinische Sachverständige habe es als sehr unwahr­scheinlich bezeichnet, dass Abszess und Phlebitis als die primären Befunde unter fachgerecht durchgeführter Behandlung ausgeheilt wären, zugleich aber an anderer Stelle an eine schwer wiegende Entzündung verursacht hätten.

Festgestellter Verstoß gegen medizinischen Standard nicht als grob zu bewerten

Eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen über den groben Behand­lungs­fehler komme der Klägern nicht zugute, da der festgestellte Verstoß gegen den medizinischen Standard nicht als grob zu bewerten sei. Nicht jeder Verstoß gegen den medizinischen Hygienestandard stelle einen groben Behand­lungs­fehler dar. Das Oberlan­des­gericht folge dem medizinischen Sachver­ständigen, dass ein Hygieneverstoß umso schwerer wiege und umso unver­ständ­licher sei, je höher das Infek­ti­o­ns­risiko und je gravierender die Folgen einer möglichen Infektion sein könnten. Der Sachverständige habe insoweit überzeugend ausgeführt, dass aus klinischer Sicht hinsichtlich der einzuhaltenden hygienischen Anforderungen in vier Risikogruppen unterteilt werde. Dementsprechend werde danach differenziert, in welche Risikogruppe die Tätigkeit falle, welche unter Verletzung des hygienischen Standards vorgenommen worden sei. Im vorliegenden Fall sei die infrage stehende Tätigkeit der untersten Risikogruppe zuzuordnen. Dies deswegen, weil es unwahr­scheinlich sei, dass gegen den bei der Eröffnung eines Abszesses ausströmenden Eiter etwas in die Wunde gelange. Zudem sei es unwahr­scheinlich, dass es gravierende Folgen nach sich ziehe, wenn die - von vornherein nur bakterienarmen, nicht sterilen - Handschuhe durch das Berühren der Türklinke zusätzlich kontaminiert worden seien. Bei dieser Sachlage Stelle der festgestellte Hygienemangel keinen groben Verstoß gegen medizinische Standards dar.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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