21.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil31.10.2016

Kinderarzt und Orthopäde haften für nicht korrekt erkannte Reife­ver­zö­gerung der Hüfte eines KleinkindesSchadens­ersatz­forderung der Eltern wegen unzureichender Behandlung erfolgreich

Ein Kinderarzt, der bei der U3-Vorsorge eines Kleinkindes eine Reife­ver­zö­gerung seiner Hüfte aufgrund einer falschen Diagnose verkannt hat, und ein Orthopäde, der zur späteren Abklärung eines auffälligen Gangbildes des Kindes röntge­no­lo­gische Befunde oder Kontrollen im engen zeitlichen Abstand versäumt hat, haften gegenüber dem Kind auf Schadensersatz. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit im Wesentlichen das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Münster.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin aus dem Kreis Ahaus wurde im Oktober 2009 mit einer reife­ver­zö­gerten Hüfte geboren und in der Folgezeit vom erstbeklagten Kinderarzt aus Coesfeld kinderärztlich betreut. Der Erstbeklagte bewertete bei der U3-Vorsorge im November 2009 die beiden Hüftgelenke als normal entwickelt. Nach der Beschreibung eines auffälligen Gangbildes durch die Eltern überwies der Erstbeklagte die Klägerin im Dezember 2010 an den zweitbeklagten Orthopäden aus dem Kreis Coesfeld. Dieser stellte zu Beginn des Jahres 2011 eine hinkende Gangart und weitere Auffälligkeiten beim Gehen fest und verordnete Kranken­gym­nastik. Im Oktober 2011 hielt er das Gangbild für alter­s­ent­sprechend. Im Februar 2012 diagnostizierte ein weiterer Orthopäde bei der Klägerin eine hohe Hüftge­lenks­lu­xation links, die im März 2012 operativ behandelt werden musste. Eine weitere Hüftoperation musste im September 2015 vorgenommen werden.

Eltern verlangen Schadensersatz

Mit der Begründung, die Beklagten hätten die Reife­ver­zö­gerung der Hüfte unzureichend untersucht bzw. behandelt, haben die Kindeseltern für die Klägerin von beiden Beklagten Schadensersatz verlangt, u.a. ein von beiden gemeinsam zu zahlendes Schmerzensgeld in Höhe von 65.000 Euro.

OLG bejaht Schaden­s­er­satz­an­spruch

Die Schaden­s­er­satzklage war - mit Abstrichen bei der Höhe des Schmer­zens­geldes - erfolgreich. Den bereits vom Landgericht festgestellten Haftungsgrund bestätigend verurteilte das Oberlan­des­gericht Hamm die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz. Dem Erstbeklagten hat das von medizinischen Sachver­ständigen beratene Gericht ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro auferlegt, das in Höhe von 20.000 Euro auch vom Zweitbeklagten zu zahlen ist.

Kinderarzt unterlief haftungs­re­le­vanter Diagnosefehler

Dem Erstbeklagten sei, so das Oberlan­des­gericht, bei der Auswertung des Hüftge­lenks­so­no­gra­phie­be­fundes im Rahmen der U3-Vorsorge ein haftungs­re­le­vanter Diagnosefehler unterlaufen. Er habe aufgrund einer unzureichenden Messung eine Fehlstellung des linken Hüftgelenks falsch klassifiziert und die Hüftgelenke fälsch­li­cherweise als beidseits physiologisch normal entwickelt bewertet. Bei richtiger Messung zu diesem Zeitpunkt und anschließender konsequenter Behandlung der Reife­ver­zö­gerung wäre es zu einer vollständigen Ausreifung der Hüfte gekommen. Die Luxation und die sich anschließenden Operationen wären der Klägerin erspart geblieben.

Verhalten des Orthopäden ebenfalls behand­lungs­feh­lerhaft

Der Zweitbeklagte hafte, so das Gericht, weil er es bei einem Wieder­vor­stel­lungs­termin der Klägerin im Februar 2011 behand­lungs­feh­lerhaft versäumt habe, in ausreichendem Umfang weitere Befunde zu erheben. Das hinkende Gangbild und diverse Auffälligkeiten beim Gehen hätten Anlass zu einer sofortigen röntge­no­lo­gischen Abklärung der möglichen Ursachen oder einer engmaschigen Kontrolle gegeben. Beides habe der Zweitbeklagte unterlassen, so dass sich die Fehlbildung im linken Hüftgelenk der Klägerin bis zur im März 2012 festgestellten hohen Hüftluxation habe fortentwickeln können.

Tatsächliche Beein­träch­ti­gungen entscheidend für Höhe des Schmer­zens­geldes

Bei der Bemessung des Schmer­zens­geldes wirkten sich die tatsächlichen Beein­träch­ti­gungen aus, die die Klägerin durch die Behand­lungs­fehler bei der Beklagten erlitten habe. Dabei sei beim Erstbeklagten schmer­zens­gel­der­höhend zu berücksichtigen gewesen, dass die Erfolgschancen einer rein konservativen Therapie bei richtiger Behandlung der Klägerin im November 2009 hoch gewesen seien.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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