15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil15.11.2016

Mehrfach fehlerhafte Operation: Erstes Krankenhaus haftet auch für groben Behand­lungs­fehler einer weiteren KlinikBei behandlungs­fehlerhafter Erstoperation hat erstbe­han­delnder Arzt haftungs­rechtlich für weiteren Eingriff und damit verbundene Folgen einzustehen

Wird die Anomalie eines Magens fehlerhaft operiert, kann das für die erste Operation verantwortliche Krankenhaus auch für die Folgen einzustehen haben, die die Patientin durch eine grob behandlungs­fehlerhaft durchgeführte Revisi­ons­ope­ration erleidet. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und änderte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Bochum ab.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Jahre 1962 geborene Patientin aus Recklinghausen litt an erheblichen Magen­be­schwerden, begründet durch eine Magenanomalie (Upside-Down-Stomach in Form einer großen Fornixkaskade). Diese ließ sie im April 2009 im beklagten Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Bei der Operation wurden die Nähte fehlerhaft so gesetzt, dass es erneut zum Abkippen und einer Verdrehung des Magens kam. Die deswegen notwendige Revisi­ons­ope­ration wurde im Juni 2009 in einer Klinik in Herne durchgeführt. Bei dieser Operation löste der Operateur die bei der ersten Operation fehlerhaft fixierten Nähte, versäumte es aber, den Magen der Klägerin nunmehr korrekt zu befestigen. Die deswegen weiterhin bestehende Abkippung des Magens blieb im Anschluss längere Zeit unbehandelt und löste bei der Klägerin eine Magenblähung aus. Diese machte schließlich eine Magen­teil­re­sektion notwendig, in deren Folge es zu einer Magen­trans­port­s­chä­digung kam. Zudem stellten sich Wundhei­lungs­stö­rungen ein. Aufgrund dieser Folgen wurde die Klägerin bis zum Jahre 2013 wiederholt stationär behandelt und mehrfach operiert.

Klägerin verlangt Schmerzensgeld und Schadensersatz

Vom beklagten Krankenhaus hat die Klägerin 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen mit 2.600 Euro pro Monat für die Zeit ab der ersten Operation berechneten Haushalts­füh­rungs­schaden begehrt. Dabei hat sie gemeint, dass das beklagte Krankenhaus

auch für die fehlerhafte Revisi­ons­ope­ration und die weiteren Komplikationen einzustehen habe, die alle eine Folge der fehlerhaft durchgeführten ersten Operation seien.

LG: Fehlerhafte Revisi­ons­ope­ration hat Kausa­l­zu­sam­menhang unterbrochen

Das Landgericht hat der Klägerin 8.000 Euro Schmerzensgeld und einen für drei Monate berechneten Haushalts­füh­rungs­schaden in Höhe von 4.680 Euro zugesprochen. Dies insbesondere mit der Begründung, dass die fehlerhafte Revisi­ons­ope­ration den Kausa­l­zu­sam­menhang unterbrochen habe, so dass das beklagte Krankenhaus nicht mehr für die Schäden hafte, die nach dieser Operation eingetreten seien.

OLG bejaht Schadensersatz- und Schmer­zens­geldan­spruch

Die Berufung der Klägerin gegen das landge­richtliche Urteil war überwiegend erfolgreich. Das durch medizinische Sachverständige beratene Oberlan­des­gericht Hamm sprach der Klägerin 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen - bis Ende des Jahres 2013 - mit 30.160 Euro berechneten Haushalts­füh­rungs­schaden und für die Folgezeit Haushalts­füh­rungs­kosten von monatlich 156 Euro zu.

Beklagtes Krankenhaus haftet auch für weitere Schadensfolgen

Für den zwischen den Parteien nicht mehr umstrittenen Behandlungsfehler bei der ersten Operation schulde das beklagte Krankenhaus der Klägerin Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz, so das Gericht. Dabei sei die fehlerhafte Fixierung des Magens als einfacher Behand­lungs­fehler einzustufen. Allerdings hafte das beklagte Krankenhaus auch für die weiteren Schadensfolgen, die auf diesen Behand­lungs­fehler zurückzuführen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die fehlerhafte Revisi­ons­ope­ration im Juni 2009 den rechtlichen Zurech­nungs­zu­sam­men­hang­zwischen dem ersten Behand­lungs­fehler und den weiteren Schadensfolgen nicht unterbrochen.

Zurech­nungs­zu­sam­menhang zu früherem Behand­lungs­fehler entfällt nur bei besonders grobem Behand­lungs­fehler

Bei der Revisi­ons­ope­ration sei es zwar grob behand­lungs­feh­lerhaft versäumt worden, den Magen der Klägerin korrekt aufzuhängen. Die Revisi­ons­ope­ration sei aber aufgrund der behand­lungs­feh­ler­haften Erstoperation notwendig gewesen. In einem solchen Fall habe der erstbehandelnde Arzt haftungs­rechtlich für den weiteren Eingriff und die mit ihm verbundenen Folgen einzustehen. Das gelte grundsätzlich auch, wenn der weitere Eingriff behand­lungs­feh­lerhaft erfolge. Eine Ausnahme sei in derartigen Fällen nur dann zu machen, wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht lasse und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoße, dass der nach seiner Zweitbehandlung eingetretene Schaden im Rahmen einer haftungs­recht­lichen Bewertung allein seinem Handeln zuzuordnen sei. Daher lasse nur ein besonders grober Behand­lungs­fehler den Zurech­nungs­zu­sam­menhang zu einem früheren Behand­lungs­fehler entfallen.

Fehler bei der Revisi­ons­ope­ration ist nicht als völlig ungewöhnlich und unsachgemäß einzustufen

Ein solcher besonders grober Behand­lungs­fehler sei dem Operateur der Revisi­ons­ope­ration nicht unterlaufen. Das Gericht folge insoweit der Einschätzung des medizinischen Sachver­ständigen, die dieser unter Berück­sich­tigung der Zeugenaussage des Operateurs abgegeben habe. Der Fehler bei der Revisi­ons­ope­ration sei zwar als schwerwiegend, aber noch nicht völlig ungewöhnlich und unsachgemäß einzustufen.

Langwieriger und kompli­ka­ti­o­ns­trächtiger Krank­heits­verlauf entscheidend bei Bemessung des Schmer­zens­geldes

Bei der Bemessung des Schmer­zens­geldes sei der besonders langwierige und kompli­ka­ti­o­ns­trächtige Krank­heits­verlauf der Klägerin zu berücksichtigen, so das Gericht. Von Mai 2009 bis Ende 2013 habe sich die Klägerin vielfachen ärztlichen Behandlungen und Operationen mit stationären Aufenthalten unterziehen müssen. Sie sei nach wie vor erheblich beeinträchtigt und werde ihr gesamtes weiteres Leben lang abdominellen Belas­tungs­schmerzen ausgesetzt sein. In ihrer Haushalts­führung sei die Klägerin unter Berück­sich­tigung des eingeholten Sachver­stän­di­gen­gut­achtens bis Ende des Jahres 2013 weitgehend zu einem Drittel und in der Folgezeit noch zu 10 % beeinträchtigt, hiernach bemesse sich der zugesprochene Haushalts­füh­rungs­schaden.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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