Dokument-Nr. 17365
Permalink https://urteile.news/
- MDR 2014, 279Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 279
- r+s 2014, 101Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2014, Seite: 101
Oberlandesgericht Hamm Urteil08.11.2013
Streit unter Schülern: Schläger muss 1.000 Euro Schmerzensgeld für billigend in Kauf genommene Augenverletzung zahlenVom Vorsatz nicht umfasste Verletzungsfolgen sind bei Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen
Erleidet ein Schüler in der Schule durch zwei Schläge eines Mitschülers eine schwerwiegende Augenverletzung, kann der Geschädigte vom Schädiger ein Schmerzensgeld verlangen, das den vom Schädiger billigend in Kauf genommen Verletzungen Rechnung trägt. Weitergehende, vom Vorsatz des Schädigers nicht umfasste Verletzungsfolgen sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm.
Die seinerzeit vierzehnjährigen Jugendlichen waren im Juni 2010 Schüler einer im Kreis Siegen-Wittgenstein gelegenen Hauptschule. Nachdem sich der Kläger über eine Rangelei des Beklagten lustig gemacht hatte, fühlte sich der Beklagte nach dem Ende einer Schulstunde durch den Kläger provoziert. Auf dem Weg zum Pausenhof drängte der Beklagte den Kläger in eine Ecke des Treppenhauses, wo er ihm zwei Schläge gegen das rechte Auge versetzte, weil ihm - so seine Darstellung - "die Sicherungen durchgebrannt" waren. Der Kläger erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, eine Prellung, ein Hämatom am rechten Auge und eine Augenhöhlenfraktur, die aufgrund eines eingeklemmten Augenmuskels operativ behandelt werden musste. Unter Hinweis auf bleibende Verletzungsfolgen (Wahrnehmung von Doppelbildern, Einschlafstörungen und wiederkehrenden Kopfschmerzen) hat der Kläger vom Beklagten ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro verlangt.
Tatsächlich eingetretene schweren Folgen wurden aller Voraussicht nach vom Schüler nicht beabsichtigt oder für möglich erachtet
Das Klagebegehren war insoweit erfolgreich als das Oberlandesgericht Hamm dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro zugestanden hat. Der Beklagte hafte für seine vorsätzliche und rechtswidrige Körperverletzung. Er habe dem Kläger aus reiner Wut zwei Schläge ins Gesicht versetzt. Wegen der in §§ 104, 105 Sozialgesetzbuch VII geregelten Haftungsprivilegierung, die auch für Schulen gelte, reiche eine vorsätzliche Verletzungshandlung aber nicht aus, um einen Ersatzanspruch zu begründen. Erforderlich sei auch eine vorsätzlich herbeigeführte Verletzungsfolge. Im vorliegenden Fall könne das Gericht nicht davon ausgehen, dass der Beklagte die tatsächlich eingetretenen schweren Folgen beabsichtigt oder auch nur für möglich erachtet habe. Wegen seiner übergroßen Wut sei aber anzunehmen, dass er nicht nur das blaue Auge sondern auch die Gehirnerschütterung billigend in Kauf genommen habe. Diese Folgen seien ihm bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zuzurechnen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.12.2013
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil17365
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.