Im zugrunde liegenden Fall kam es auf einem Schulgelände eines Privatgymnasiums zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Mitschülern, bei der ein Schüler zu Fall kam. Der Sohn der späteren Kläger sah bei der Auseinandersetzung zu und filmte die Situation ausschnittweise mit seinem Handy. Die gefilmten Sequenzen verschickte er anschließend weiter. Die Schule suspendierte den Schüler daraufhin für rund 2 Wochen vom Unterricht und kündigte den Beschulungsvertrag zum Ende des nächsten Schulhalbjahres. Daraufhin kündigten die Eltern ebenfalls den Beschulungsvertrag und zwar fristlos und forderten Rückzahlung des geleisteten Schulgeldes für das laufende Halbjahr. Der Sohn nahm am Unterricht nicht mehr teil.
Das Amtsgericht Lüneburg hat der Klage der Eltern auf Rückzahlung des Schulgeldes in vollem Umfang stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Zwangsmaßnahmen der Schule seien unbegründet gewesen. Der Schüler habe kein gewaltverherrlichendes Video erstellt. Es habe sich nur um eine Rangelei unter Kindern gehandelt.
Hiergegen hat die Schule Berufung beim Landgericht Lüneburg eingelegt und hatte Erfolg. Das Landgericht hat rechtskräftig das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage der Eltern abgelehnt. Die Eltern haben keinen Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Schulgeldes. Der Schüler – so das Landgericht – hat gravierend gegen die Schulordnung und allgemeine Verhaltensregeln verstoßen, worauf die Schulleitung wohl streng, aber nicht unverhältnismäßig reagiert hat. Der Schüler hat gegen die Schulordnung verstoßen, indem er eine provozierte gewaltsame Auseinandersetzung gegenüber einem Mitschüler gefördert und gefilmt hat und die Aufnahmen anschließend weiterverbreitet hat. Nach Überzeugung des Gerichts lag eine provozierte, gewalttätige Auseinandersetzung vor. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts handelte es sich keineswegs nur um eine harmlose Rangelei unter Kindern. Der geschädigte Schüler war zunächst bewusst hinter die Hecke gelockt worden. Die Tür war dann von anderen Schülern geschlossen worden und die Schüler hatten sich so um den geschädigten Schüler herumgestellt, dass er nicht weglaufen konnte. Dieser ist dann nacheinander von verschiedenen Mitschülern attackiert und jedenfalls zweimal heftig zu Boden geworfen worden. Der Sohn der klagenden Eltern hat zwar nicht selbst an der körperlichen Auseinandersetzung aktiv teilgenommen. Er hat diese jedoch durch das Filmen und durch anfeuerndes Zurufen unterstützt. Durch sein Filmen drückte er nicht nur seine Zustimmung zu dem Verhalten der anderen aus, sondern er verlieh den Handlungen der Schläger auch noch einen besonderen Stellenwert. Zusätzlich spornte er die anderen Schüler durch seine Zurufe an. Anschließend verschickte er die Aufnahmen.
Auf das Fehlverhalten des Schülers hat die Schulleitung – so die Richter – nicht unverhältnismäßig reagiert. Die Maßnahmen waren allesamt erzieherisch nachvollziehbar, geeignet, erforderlich und angemessen, um den Erziehungszweck zu fördern und dazu beizutragen, dass sich die Schüler künftig auf dem Schulgelände sicher fühlen können. Jede Schulleitung muss Verstöße gegen die Schulordnung zur Gewährleistung eines geordneten Zusammenlebens ausreichend erzieherisch ahnden; sie darf Gewalttätigkeiten nicht einfach hinnehmen, sondern sie muss alle ihre Schüler so gut es geht schützen.
Das Gericht führte weiter aus, dass es eine neuartige Form der Freizeitbeschäftigung mancher Jugendlicher ist, Dritte in Schlägereien zu verwickeln und die unterlegenen Opfer während der körperlichen Auseinandersetzung zu filmen, um anschließend die Filme via Internet oder Handy-Versendung zu verbreiten, um sich selbst als starken Kampfgewinner bekannt zu machen, so genanntes "Happy-slapping". Einer solchen Mode ist dringend von Eltern, Medien, Behörden und Lehrern nachhaltig entgegenzuwirken. Indem die Schule hier schnell reagiert und zugleich eine umfassende Information aller Eltern eingeleitet hat, ist sie in vorbildlicher Weise ihrer besonderen Verantwortung gerecht geworden, im Bereich der Schule den Anfängen zu wehren.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.02.2010
Quelle: ra-online, LG Lüneburg