21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil25.03.2014

Unterlassene Anmeldung bei Eurotransplant ist bei fehlender reeller Möglichkeit für Zuteilung eines Organs nicht als ärztlicher Behand­lungs­fehler zu wertenFür Anmeldung geltende Mailand-Kriterien bei Feststellung von fortge­schrittener Leber­krebs­erkrankung nicht mehr erfüllt

Einen an Leberkrebs erkrankten Patienten nicht bei Eurotransplant anzumelden, stellt dann keinen ärztlichen Behand­lungs­fehler dar, wenn nach den so genannten Mailand-Kriterien keine reelle Möglichkeit für die Zuteilung einer Leber besteht. In diesem Fall muss ein Arzt auch nicht die Lebendspende eines Kindes des Patienten in Betracht ziehen, wenn mit dieser ein tödliches Risiko von 1 % für den kindlichen Spender verbunden ist. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Detmold.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Januar 2010 im Alter von 60 Jahren verstorbene Patient aus Oerlinghausen litt infolge eines 15 Jahre zurückliegenden chronischen Alkoholabusus an einer Leberzirrhose. Seit April 2008 prüfte die Trans­plan­ta­ti­o­ns­am­bulanz der beklagten Medizinischen Hochschule in Hannover in regelmäßigen Abständen den Krank­heits­verlauf. Im Juni 2009 wurde ein erhöhter Alpha-1-Fetoprotein(AFP)-Wert festgestellt, im September 2009 der Leberkrebs diagnostiziert. Eine Anmeldung des Patienten zur Vermittlung eines Spenderorgans bei Eurotransplant unterblieb, nachdem die so genannten Mailand-Kriterien nicht mehr erfüllt waren. Eine vom Sohn des Patienten angebotene Lebendspende wurde nicht berücksichtigt. U.a. aufgrund dieser, aus Sicht der Erben als behand­lungs­feh­lerhaft zu bewertenden Umstände haben die Erben ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro für den Verstorbenen als Schadensersatz verlangt.

Möglichkeit einer erfolgreichen Anmeldung des Patienten bei Eurotransplant war keinem Zeitpunkt gegeben

Die Klage blieb jedoch erfolglos. Nach sachver­ständiger Beratung konnte das Oberlan­des­gericht Hamm keine Behandlungsfehler feststellen, die für den vorzeitigen Tod und die Leiden des Patienten verantwortlich waren. Die unterlassene Anmeldung des Patienten bei Eurotransplant sei der Beklagten nicht vorzuwerfen. Zu keinem Zeitpunkt habe die Möglichkeit einer erfolgreichen Anmeldung bestanden. Zu Anfang seien die Leberwerte noch zu gut gewesen, so dass die Zuteilung einer Leber nicht habe erfolgen können. Nach der Feststellung des Leberkrebses habe eine Anmeldung nicht mehr erfolgen können, weil die so genannten Mailand-Kriterien nicht erfüllt gewesen seien. Der Leberkrebs sei bereits zu weit fortgeschritten gewesen. An die strengen Auswahl­kri­terien habe sich die Beklagte halten müssen. Ihnen liege ein Organmangel zugrunde, für den die Beklagte nicht verantwortlich sei.

Ärzte müssen angebotene Lebendspende wegen des tödlichen Risikos von 1 % für den Spender nicht annehmen

Auf die vom Sohn des Patienten angebotene Lebendspende hätten die behandelnden Ärzte nicht eingehen müssen. Diese sei mit einem tödlichen Risiko von 1 % für den Spender verbunden gewesen. Ein Arzt könne nicht verpflichtet werden, ein tödliches Risiko von 1 % für den - kindlichen - Spender in Kauf zu nehmen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die so genannten Mailand-Kriterien nicht erfüllt seien. In Deutschland werde eine solche Spende nur dann durchgeführt, wenn auch die Möglichkeit einer Transplantation bestehe. Eine Lebendspende sei anfangs immer stärker gefährdet als eine Transplantation, bei ihr komme eine durch Teilung geschädigte Leber in einen geschwächten Körper.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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