18.10.2024
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Dokument-Nr. 17473

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Beschluss12.07.2013Oberlandesgericht Hamm2 UF 227/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • jurisPR-FamR 1/2014, Anm. 3, Petra Harmsjuris PraxisReport Familien- und Erbrecht (jurisPR-FamR), Jahrgang: 2014, Ausgabe: 1, Anmerkung: 3, Autor: Petra Harms
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss12.07.2013

Entziehung der elterlichen Sorge: Kein Anspruch des Kindes auf Idealeltern und optimale FörderungEltern und deren wirtschaft­lichen sowie gesell­schaft­lichen Verhältnisse gehören zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes

Die elterliche Sorge über ein Kind, kann nur unter der Voraussetzung einer Kindes­wohl­gefährdung entzogen werden (§ 1666 Abs. 1 BGB). In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass ein Kind keinen Anspruch auf Idealeltern und einer optimalen Förderung hat. Vielmehr gehören die Eltern und deren wirtschaft­lichen und gesell­schaft­lichen Verhältnisse zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aus einer Ehe ging ein im Jahr 2003 geborenes Kind hervor. Nach der Trennung der Eltern im November 2010 lebte das Kind weiter bei seiner Mutter. Angesichts bestehender erheblicher Meinungs­ver­schie­den­heiten mit dem Kindsvater in der Erziehungs- und Sorge­rechtsfrage beantragte sie schließlich das alleinige Sorgerecht. Der Kindsvater wiederum meinte, dass das Kind bei ihm besser aufgehoben sei. Seine Ex-Frau sei nämlich erzie­hungs­un­ge­eignet. So sollen ihre aus einer voraus­ge­gangenen Partnerschaft kommenden Söhne unter ADHS und gestörten Sozialverhalten gelitten haben sowie rüde und ungezogen gewesen seien. Dies alles habe sich nachteilig auf sein Kind ausgewirkt. Er beantragte daher die elterliche Sorge ihm allein zu übertragen.

Amtsgericht übertrug elterliche Sorge der Mutter

Das Amtsgericht Marl übertrug das alleinige Sorgerecht für das Kind der Mutter. Denn dies habe dem Kindeswohl am meisten entsprochen. Zwar haben beide Elternteile Defizite in der Erzie­hungs­fä­higkeit aufgewiesen. Es sei aber nicht ersichtlich gewesen, dass der Kindsvater besser als die Mutter zur Erziehung und Versorgung des Kindes in der Lage war. Gegen die Entscheidung legte der Kindsvater Beschwerde ein.

Oberlan­des­gericht bestätigte erstin­sta­nzliche Entscheidung

Das Oberlan­des­gericht Hamm bestätigte die erstin­sta­nzliche Entscheidung und wies daher die Beschwerde des Kindsvaters zurück. Das Amtsgericht habe zurecht die elterliche Sorge auf die Mutter übertragen (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Vorliegen eines Mindestmaß an Koope­ra­ti­o­ns­fä­higkeit für gemeinsame elterliche Sorge

Es entspreche grundsätzlich dem Kindeswohl, so das Oberlan­des­gericht weiter, wenn es in dem Bewusstsein aufwächst, dass beide Elternteile für es Verantwortung tragen (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.03.2011 - 10 UF 2/11 = FamRZ 2011, 1662). Die elterliche Sorge könne aber nur dann von beiden Eltern ausgeübt werden, wenn sie in Erzie­hungs­fragen miteinander kooperieren und kommunizieren. Dabei dürfe nicht gleich jede Spannung und Streitigkeit zwischen den Eltern zum Ausschluss des Sorgerechts führen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 31.01.2012 - 2 UF 168/11 = MDR 2012, 413).

Bessere Förderung des Kindeswohls durch gemeinsame elterliche Sorge zweifelhaft

Zudem bestehe nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts keine gesetzliche Vermutung dafür noch sei es kinderpsy­cho­logisch und famili­en­so­zio­logisch erwiesen, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern, die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung darstellt und somit dem Kindeswohl förderlicher ist (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2007 - XII ZB 158/05 = FamRZ 2008, 592). Eine Alleinsorge sei vorzugswürdig, wenn die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht funktioniert, weil zwischen den Eltern keine Konsens­mög­lichkeit besteht und ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge fehlt. Davon ist das Oberlan­des­gericht hier ausgegangen. Zwischen den Parteien habe ein tiefgreifendes Zerwürfnis und wechselseitiges Misstrauen geherrscht.

Alleinsorge durch Mutter entsprach Kindeswohl

Es habe darüber hinaus nach Einschätzung des Oberlan­des­ge­richts dem Kindeswohl entsprochen der Mutter das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindsvater hätte zu einem Kontinuitäts- sowie Bindungsabbruch zur Mutter und damit zu einer Traumatisierung des Kindes geführt. Zudem sei nicht erkennbar gewesen, dass der Kindsvater für den Persön­lich­keits­aufbau besser geeignet gewesen wäre als die Mutter.

Erzie­hungs­eignung beider Eltern zweifelhaft

Das Oberlan­des­gericht hielt zwar die Erzie­hungs­eignung beider Elternteile für zweifelhaft. Dies habe seiner Auffassung nach jedoch nicht zu einer anderen Entscheidung führen müssen. Die Entziehung einer elterlichen Sorge setze stets eine Kindes­wohl­ge­fährdung voraus (§ 1666 Abs. 1 BGB). Es müsse eine gegenwärtige, in solchem Maß vorhandene Gefahr vorliegen, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. In diesem Zusammenhang müsse der Vorrang des Erzie­hungs­rechts der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) berücksichtigt werden. Dem Staat komme daher nur ein Wächteramt zu.

Kein Anspruch des Kinds auf Idealeltern und optimale Förderung

Davon ausgehend verwies das Oberlan­des­gericht darauf, dass es nicht zur Ausübung des staatlichen Wächteramts gehört, für eine bestmögliche Förderung des Kindes zu sorgen. Ein Kind habe eben nicht Anspruch auf Idealeltern und einer optimalen Förderung. Die Eltern und deren wirtschaft­lichen und gesell­schaft­lichen Verhältnisse gehören vielmehr zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Eine Trennung des Kindes von den Eltern oder einem Elternteil dürfe daher nicht damit begründet werden, dass andere Personen oder Einrichtungen besser zur Erziehung und Förderung geeignet sind. Da es an einer Kindes­wohl­ge­fährdung gefehlt habe, habe die Mutter trotz vorhandener Erzie­hungs­de­fizite das Kind behalten dürfen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

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