Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aus einer Ehe ging ein im Jahr 2003 geborenes Kind hervor. Nach der Trennung der Eltern im November 2010 lebte das Kind weiter bei seiner Mutter. Angesichts bestehender erheblicher Meinungsverschiedenheiten mit dem Kindsvater in der Erziehungs- und Sorgerechtsfrage beantragte sie schließlich das alleinige Sorgerecht. Der Kindsvater wiederum meinte, dass das Kind bei ihm besser aufgehoben sei. Seine Ex-Frau sei nämlich erziehungsungeeignet. So sollen ihre aus einer vorausgegangenen Partnerschaft kommenden Söhne unter ADHS und gestörten Sozialverhalten gelitten haben sowie rüde und ungezogen gewesen seien. Dies alles habe sich nachteilig auf sein Kind ausgewirkt. Er beantragte daher die elterliche Sorge ihm allein zu übertragen.
Das Amtsgericht Marl übertrug das alleinige Sorgerecht für das Kind der Mutter. Denn dies habe dem Kindeswohl am meisten entsprochen. Zwar haben beide Elternteile Defizite in der Erziehungsfähigkeit aufgewiesen. Es sei aber nicht ersichtlich gewesen, dass der Kindsvater besser als die Mutter zur Erziehung und Versorgung des Kindes in der Lage war. Gegen die Entscheidung legte der Kindsvater Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und wies daher die Beschwerde des Kindsvaters zurück. Das Amtsgericht habe zurecht die elterliche Sorge auf die Mutter übertragen (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).
Es entspreche grundsätzlich dem Kindeswohl, so das Oberlandesgericht weiter, wenn es in dem Bewusstsein aufwächst, dass beide Elternteile für es Verantwortung tragen (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.03.2011 - 10 UF 2/11 = FamRZ 2011, 1662). Die elterliche Sorge könne aber nur dann von beiden Eltern ausgeübt werden, wenn sie in Erziehungsfragen miteinander kooperieren und kommunizieren. Dabei dürfe nicht gleich jede Spannung und Streitigkeit zwischen den Eltern zum Ausschluss des Sorgerechts führen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 31.01.2012 - 2 UF 168/11 = MDR 2012, 413).
Zudem bestehe nach Ansicht des Oberlandesgerichts keine gesetzliche Vermutung dafür noch sei es kinderpsychologisch und familiensoziologisch erwiesen, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern, die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung darstellt und somit dem Kindeswohl förderlicher ist (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2007 - XII ZB 158/05 = FamRZ 2008, 592). Eine Alleinsorge sei vorzugswürdig, wenn die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht funktioniert, weil zwischen den Eltern keine Konsensmöglichkeit besteht und ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge fehlt. Davon ist das Oberlandesgericht hier ausgegangen. Zwischen den Parteien habe ein tiefgreifendes Zerwürfnis und wechselseitiges Misstrauen geherrscht.
Es habe darüber hinaus nach Einschätzung des Oberlandesgerichts dem Kindeswohl entsprochen der Mutter das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindsvater hätte zu einem Kontinuitäts- sowie Bindungsabbruch zur Mutter und damit zu einer Traumatisierung des Kindes geführt. Zudem sei nicht erkennbar gewesen, dass der Kindsvater für den Persönlichkeitsaufbau besser geeignet gewesen wäre als die Mutter.
Das Oberlandesgericht hielt zwar die Erziehungseignung beider Elternteile für zweifelhaft. Dies habe seiner Auffassung nach jedoch nicht zu einer anderen Entscheidung führen müssen. Die Entziehung einer elterlichen Sorge setze stets eine Kindeswohlgefährdung voraus (§ 1666 Abs. 1 BGB). Es müsse eine gegenwärtige, in solchem Maß vorhandene Gefahr vorliegen, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. In diesem Zusammenhang müsse der Vorrang des Erziehungsrechts der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) berücksichtigt werden. Dem Staat komme daher nur ein Wächteramt zu.
Davon ausgehend verwies das Oberlandesgericht darauf, dass es nicht zur Ausübung des staatlichen Wächteramts gehört, für eine bestmögliche Förderung des Kindes zu sorgen. Ein Kind habe eben nicht Anspruch auf Idealeltern und einer optimalen Förderung. Die Eltern und deren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gehören vielmehr zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Eine Trennung des Kindes von den Eltern oder einem Elternteil dürfe daher nicht damit begründet werden, dass andere Personen oder Einrichtungen besser zur Erziehung und Förderung geeignet sind. Da es an einer Kindeswohlgefährdung gefehlt habe, habe die Mutter trotz vorhandener Erziehungsdefizite das Kind behalten dürfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.01.2014
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)