18.10.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss29.03.2016

Vormund eines Pflegekindes muss sich an Elternwillen bei Bestimmung der Religions­zugehörigkeit des Kindes haltenNach Entzug der elterlichen Sorge ist Vormund nicht zur Änderung der Religions­zugehörigkeit des Kindes berechtigt

Bestimmen Kindeseltern die Religions­zugehörigkeit ihres Kindes, bleibt diese Bestimmung auch dann verbindlich, wenn das Kind - nach einem Entzug der elterlichen Sorge unter vormund­schaft­licher Verantwortung des Jugendamtes - in einer Pflegefamilie aufwächst, die einer anderen Religion angehört und nach dieser lebt. Der Vormund ist dann nicht befugt, die Erstbestimmung der leiblichen Eltern zu ändern. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im 1986 Jahre geborene Verfah­rens­be­teiligte aus Duisburg ist Mutter der im Jahre 2007 geborenen Tochter. Die Kindesmutter stammt aus einem Land Nordafrikas und ist muslimischen Glaubens. Der im Jahre 1968 in Duisburg geborene, nicht sorge­be­rechtigte Kindesvater stammt von evangelischen Eltern ab.

Kindesmutter verlangt Erziehung ihres Kindes nach dem muslimischen Glauben

Unmittelbar nach der Geburt nahm das Jugendamt das Kind in Obhut und verbrachte es in eine Bereit­schafts­pfle­ge­familie. Tags darauf entzog das Familiengericht der Mutter Teile der elterlichen Sorge, u.a. das Aufent­halts­be­stim­mungsrecht und das Recht der Gesund­heits­fürsorge. In dem danach durchgeführten Sorge­rechts­ver­fahren brachte die Kindesmutter in mehreren an das Familiengericht gerichteten Schreiben ihre Erwartung zum Ausdruck, dass das Kind nach dem muslimischen Glauben groß gezogen werden solle. In diesem Sinne äußerte sie sich auch gegenüber der in dem Verfahren bestellten Sachver­ständigen.

Pflegeeltern planen katholische Taufe des Kindes

Im Jahre 2008 entzog das Familiengericht der Kindesmutter die elterliche Sorge und übertrug diese dem Jugendamt als Vormund. Seit dem Jahre 2009 lebt das Kind inkognito in einer Dauer­pfle­ge­familie, die ihre eigenen Kinder nach christlichen Wertvor­stel­lungen erzieht und römisch-katholisch taufen ließ. Nach den Vorstellungen der Pflegeeltern und des Vormundes soll die Pflegetochter katholisch getauft werden, damit sie nach ihrer Teilnahme am katholischen Religi­o­ns­un­terricht auch die Erstkommunion empfangen kann. Dies entspreche, so diese Beteiligten, auch dem Wunsch des Kindes.

Kindsmutter legt Beschwerde gegen geplante Taufe ihrer Tochter ein

Das Amtsgericht Dorsten hatte die vom Vormund getroffene Anordnung, das Pflegekind in der römisch-katholischen Religion zu erziehen, genehmigt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter, die mit einer Taufe ihrer Tochter und ihrer römisch-katholischen Erziehung nicht einverstanden ist.

Vormund kann Religi­o­ns­zu­ge­hö­rigkeit des Kindes nicht mehr bestimmen

Die Beschwerde war erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm lehnte die famili­en­ge­richtliche Genehmigung, das Pflegekind nach dem römisch-katholischen Glauben zu erziehen, ab. Der Vormund könne die (römisch-katholische) Religionszugehörigkeit des Kindes nicht mehr bestimmen, so das Gericht. Das ließen die Vorschriften des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung nicht zu. Die Kindesmutter habe zuvor entschieden, dass ihre Tochter nach dem muslimischen Glauben erzogen werden solle. An diese Erstbestimmung sei der Vormund gebunden. Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung erlaube ihm nicht, diese zu ändern.

Bekenntnis zur Religi­o­ns­zu­ge­hö­rigkeit des Kindes wurde durch Kindsmutter noch vor Entzug der elterlichen Sorge abgegeben

Ihr Erstbe­stim­mungsrecht habe die Kindesmutter noch vor dem vollständigen Entzug der elterlichen Sorge ausgeübt. Das ergebe sich aus ihren im Sorge­rechts­ver­fahren dokumentierten schriftlichen und persönlichen Äußerungen. Zu Zeitpunkt dieser Äußerungen sei die Kindesmutter noch Inhaberin des zur religiösen Erziehung des Kindes berechtigenden Teils der elterlichen Sorge gewesen. Nach dem einschlägigen Gesetz sei insoweit unerheblich, ob diese Entscheidung aus heutiger Sicht dem Kindeswohl entspreche. Unerheblich sei auch, dass die Kindesmutter zu keiner Zeit in der Lage gewesen sei, mit ihrem Kind ihre Religi­o­ns­zu­ge­hö­rigkeit zu leben. Die maßgebliche gesetzliche Vorschrift erfordere lediglich ein nach außen dokumentiertes Bekenntnis der Kindeseltern zur Religi­o­ns­zu­ge­hö­rigkeit des Kindes. Ein solches Bekenntnis habe die Kindesmutter abgegeben.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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