21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil10.12.2019

Abgasskandal: Schadens­ersatz­anspruch gegen VW auch bei Leasing möglichAbgeschlossener Leasingvertrag entspricht nicht den - berechtigten - Erwartungen des Käufers

Wird ein vom sogenannten "Abgasskandal" betroffenes Fahrzeug geleast, kann dem Leasingnehmer gegen die Volkswagen AG ein Schadens­ersatz­anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zustehen, der auf Erstattung der Leasingraten unter Anrechnung einer Nutzungs­entschädigung gerichtet ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls leaste bei einem Leasin­g­un­ter­nehmen aus Pullach einen neuen Audi Q5. Ihm wurde die Option eingeräumt, das Fahrzeug am Vertragsende ausgehend von einem Bruttokaufpreis von 66.050 Euro zu einem festen Preis zu kaufen. Die beklagte Volkswagen AG, die zum gleichen Konzern wie die Audi AG gehört, hatte den in dem Autoverbauten Dieselmotor mit 2, Litern Hubraum und der herstel­le­r­in­ternen Typen­be­zeichnung EA 189 entwickelt, produziert und an die Audi AG geliefert. Der Motor wurde ursprünglich von einer Software gesteuert, die über zwei verschiedene Betriebsmodi verfügt. Einer der Betriebsmodi (Modus 1) erkannte den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand und reduzierte den Stickoxid-ausstoß so, dass er jedenfalls in diesem Betriebsmodus die für die Typzulassung des Fahrzeugs erforderlichen Grenzwerte einhielt. Im normalen Fahrbetrieb schaltete das Fahrzeug jedoch - was den Zulas­sungs­be­hörden bei der Erteilung der Typgenehmigung nicht bekannt war - in einen anderen Modus (Modus ). In diesem Modus stößt das Fahrzeug deutlich mehr Stickoxide als im anderen Modus aus.

Kläger verlangt Schadensersatz

Der Kläger war der Auffassung, dass Volkswagen AG der Herstellerin des Autos, der Audi AG, durch ihre Handlung zumindest Hilfe zu einem Betrug geleistet habe. Deshalb könne er von ihr insbesondere Schadensersatz von rund 31.000 Euro - nämlich für angefallene Gebühren für die Nichtausübung der Kaufoption, die geleisteten Leasingraten, die Anzahlung sowie Logistik- und Service­dienst­leis­tungen - verlangen.

LG verneint Anspruch auf Schadensersatz und weist Klage ab

Das Landgericht Münster wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass dem Kläger keine Schaden­s­er­satz­ansprüche zustünden. Insbesondere seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verant­wort­lichen der Volkswagen AG die Schädigung eines Leasingnehmers für möglich gehalten und in Kauf genommen hätten oder auch der Kläger getäuscht worden wäre.

OLG bejaht Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung

Dieser Auffassung konnte sich das Oberlan­des­gericht Hamm nicht anschließen und sprach dem Kläger auf seine Berufung einen Schadensersatz von knapp 17.500 Euro zu. Der Kläger könne wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach den §§ 826, 31 BGB diesen Betrag verlangen, so das Oberlan­des­gericht. Die Volkswagen AG habe nämlich den in dem vom Kläger geleasten Fahrzeug verbauten Motor vorsätzlich zusammen mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung in den Verkehr gebracht. Dabei habe sie in Kauf genommen, dass der Kläger einen Leasingvertrag abgeschlossen habe, den er in Kenntnis der Abschalt­ein­richtung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Typgenehmigung des Fahrzeugs - möglicherweise deren Rücknahme oder Änderung - so nicht vereinbart hätte. Denn der abgeschlossene Leasingvertrag habe nicht den - berechtigten - Erwartungen des Klägers entsprochen und darüber hinaus sei das Fahrzeug für seine Zwecke nicht voll brauchbar. Wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung hätten nämlich die Entziehung der EG-Typen­ge­neh­migung bzw. die Anordnung von Neben­be­stim­mungen sowie - bei deren Nichterfüllung - die Stilllegung des Fahrzeugs gedroht.

Volkswagen AG hat Täuschung von Kunden und Zulas­sungs­be­hörden in Kauf genommen

Das Verhalten der Volkswagen AG sei sittenwidrig. Als Beweggrund für das Inver­kehr­bringen des mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung versehenen Motors komme allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinn­ma­xi­mierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Dabei habe die Volkswagen AG in Kauf genommen, nicht nur ihre Kunden, sondern auch die Zulas­sungs­be­hörden zu täuschen und sich oder den zum Konzernverbund gehörenden weiteren Herstellern auf diese Weise die Betrie­bs­zu­lassung für die Fahrzeuge zu erschleichen.

Vorstand der Volkswagen AG muss umfassende Kenntnis von Einsatz manipulierter Software gehabt haben

Das Oberlan­des­gericht müsse - nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast - davon ausgehen, dass der Vorstand oder ein sonstiger Repräsentant der Volkswagen AG umfassende Kenntnis von dem Einsatz der manipulierten Software gehabt und in der Vorstellung die Erstellung und das Inver­kehr­bringen der mangelhaften Motoren veranlasst habe, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis an Kunden weiterveräußert werden würden.

Käufer muss sich Gebrauchs­vorteile anrechnen lassen

Hiernach könne der Kläger fordern, im Wege des Schaden­s­er­satzes so gestellt zu werden, wie erstehen würde, wenn er den unerwünschten Leasingvertrag nicht abgeschlossen hätte. Deshalb könne er die Rückzahlung seiner Anzahlung, geleisteter Leasingraten und der Gebühr für die Nichtausübung der Kaufoption verlangen. Allerdings müsse er sich insbesondere von ihm gezogene Gebrauchsvorteile nach der bisherigen Laufleistung anrechnen lassen.

§ 826BGB lautet wie folgt:

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 31 BGB lautet wie folgt:

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfas­sungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online (pm/kg)

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