18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil23.07.2014

Barrie­re­freiheit und Verkehrs­sicherungs­pflicht - Nicht jede Straße muss auch für behinderte Personen sicher befahrbar sein könnenOLG Hamm konkretisiert die Pflichten des Straßen­bau­last­trägers

Aus der in § 9 Abs. 2 Satz 2 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) geregelten Verpflichtung des Straßen­bau­last­trägers, die Belange von Menschen mit Behinderung und anderer Menschen mit Mobilitäts­beein­träch­tigung mit dem Ziel zu berücksichtigen, möglichst weitgehende Barrie­re­freiheit zu erreichen, folgt nicht, dass jede Straße, unabhängig von ihrer jeweiligen Bedeutung auch für behinderte Personen sicher zu befahren sein muss. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor, das damit das vorausgegangene Urteil des Landgerichts Paderborn abänderte.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der aufgrund einer intellektuellen Einschränkung unter Betreuung stehende Kläger aus Gütersloh befuhr nachts mit seinem Fahrrad die Oppelner Straße in Lippstadt. An einer ca. 2 m breiten Stelle, an der der Asphalt im Randbereich zwei bis zu 5 cm tiefe Schlaglöcher und zudem Netzrisse aufwies, stürzte der Kläger, nach seinen Angaben, weil er mit seinem Fahrrad in ein Schlagloch geriet. Er zog sich eine Schie­n­bein­ver­letzung zu, die aufgrund einer späteren Wundhei­lungs­störung mit einer Hauttrans­plan­tation behandelt werden musste. Von der Stadt Lippstadt als dem für die Oppelner Straße zuständigen Straßen­bau­last­träger hat er unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung Schadensersatz verlangt, insbesondere ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 2.000 Euro.

LG spricht Geschädigten unter Berück­sich­tigung eines Mitverschuldens 1.000 Euro Schmerzensgeld zu

Das Landgericht sprach dem Kläger unter Berück­sich­tigung eines 50 prozentigen Mitverschuldens 1.000 Euro Schmerzensgeld zu. Dabei hat es eine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht­ver­letzung der Beklagten angenommen, weil die Oppelner Straße im Unfallbereich für behinderte Fahrradfahrer nicht sicher zu befahren gewesen sei.

Weitreichende Siche­rungs­an­for­de­rungen sind bereits aus finanziellen Gründen für Straßen­bau­last­träger nicht erfüllbar

Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlan­des­gericht Hamm die Klage insgesamt ab. Die in § 9 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW geregelte Verpflichtung des Straßen­bau­last­trägers, die Belange von Menschen mit Behinderung und anderer Menschen mit Mobili­täts­be­ein­träch­tigung mit dem Ziel möglichst weitgehender Barrierefreiheit zu berücksichtigen, sei eine Planungsvorgabe. Aus ihr folge nicht, dass jede Straße, unabhängig von ihrer jeweiligen Bedeutung, auch für behinderte Personen sicher zu befahren sein müsse. Dermaßen weitreichende Siche­rungs­an­for­de­rungen könnten die Straßen­bau­last­träger bereits aus finanziellen Gründen nicht erfüllen. Der Umfang ihrer Verkehrssicherungspflicht bestimme sich - auch vor dem Hintergrund der genannten Regelung - vielmehr danach, was ein durch­schnitt­licher Benutzer der konkreten Verkehrsfläche vernünftiger Weise an Sicherheit erwarten dürfe. Gemessen hieran falle der Beklagten im vorliegenden Fall keine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht­ver­letzung zur Last. Die Oppelner Straße weise im Unfallbereich keine für den Fahrradverkehr nicht beherrschbaren Gefahrenquellen auf. Nach ihrer konkreten Verkehrs­be­deutung sei auf einen durch­schnitt­lichen Radfahrer abzustellen, der eine Straße unter Beachtung der gebotenen Eigensorgfalt befahre. Für einen solchen seien die Schadstellen der Oppelner Straße ohne weiteres zu bewältigen gewesen. Der überwiegende Teil der Fahrbahndecke habe sich in einem für einen umsichtigen Radfahrer befahrbaren Zustand befunden.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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