23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil16.05.2017

Vertrag unter Nachbarn bei unter­schied­lichem Verständnis über Begriff "Baulast" unwirksamBegriff "Baulast" objektiv mehrdeutig

Vereinbaren Nachbarn, dass der eine Nachbar auf seinem Grundstück eine "Baulast" für den Bau einer Windkraftanlage auf dem Grundstück des anderen Nachbarn übernehmen soll, ist die Vereinbarung unwirksam, wenn die Nachbarn den Begriff der "Baulast" unterschiedlich verstanden haben und die Auslegung ihrer Erklärungen auf kein gemeinsames Verständnis schließen lässt. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Amtsgerichts Brilon.

Beide Parteien des zugrunde liegenden Streitfalls stammen aus Marsberg. Der Kläger, Architekt, beteiligt sich an der Projektierung von Windkraft­anlagen. Der Beklagte, Landwirt, ist Eigentümer von landwirt­schaft­lichen Flächen in Meerhof.

Zwecks Errichtung einer Windkraftanlage erwarb der Kläger im Jahre 2012 benachbarte Grundstücke zum Grundbesitz des Beklagten. Der Kläger plante eine Windkraftanlage, die den bauord­nungs­rechtlich vorge­schriebenen Abstand zum Grundstück des Beklagten nicht einhalten sollte. Aus diesem Grund benötigte der Kläger zur Erlangung der - bauord­nungs­rechtliche Belange einschließenden - Genehmigung nach dem Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­gesetz (jedenfalls) die Bewilligung einer öffentlich-rechtlichen Abstands­flä­chen­baulast durch den Beklagten. Nach der Planung des Klägers sollten die Rotorblätter seiner Windkraftanlage außerdem über das Grundstück des Beklagten streichen. Aus diesem Grund verlangte die zuständige Behörde, eine - über eine Abstands­flä­chen­baulast - hinausgehende Verei­ni­gungs­baulast auf dem Grundstück des Beklagten einzutragen. Nur mit einer solchen Baulast hätte der Kläger die erforderliche Genehmigung erhalten können, weil er dann - aus bauord­nungs­recht­licher Sicht - zur Errichtung seiner Windkraftanlage beide Grundstücke in Anspruch nehmen konnte.

Kenntnis über überstreifende Rotorblätter zwischen den Parteien streitig

Die Parteien streiten darüber, ob dem Beklagten der zuletzt genannte Umstand der überstreifenden Rotorblätter bekannt war, als er mit dem Kläger im Juni 2012 die Übernahme einer - im Vertrag nicht näher umschriebenen - "Baulast" auf seinem Grundstück für den Bau der Windkraftanlage durch den Kläger vereinbarte.

Kläger erhält aufgrund ausgebliebener Bewilligung der Verei­ni­gungs­baulast keine Genehmigung für Windkraftanlage

Zur Bestellung der erforderlichen Verei­ni­gungs­baulast durch den Beklagten kam es in der Folgezeit unter anderem deswegen nicht, weil sich der Beklagte vor dem Vertragsschluss mit dem Kläger gegenüber einer anderen Gesellschaft verpflichtet hatte, dieser die Errichtung einer Windkraftanlage auf seinem Grundstück zu ermöglichen. Die von ihm geplante Windkraftanlage konnte der Kläger mangels erteilter Genehmigung nicht errichten. Hierfür machte er den Beklagten verantwortlich, weil dieser die Verei­ni­gungs­baulast nicht bewilligt habe. Den Beklagten nahm er deshalb auf Schadensersatz für den ihm - dem Kläger - entgangenen Gewinn in Anspruch, den er auf ca. 515.000 Euro bezifferte. Der Beklagte ist dagegen der Auffassung, dass er dem Kläger in dem im Juni 2012 abgeschlossenen Vertrag allenfalls die Bewilligung eine Abstands­flä­chen­baulast, nicht aber die einer Verei­ni­gungs­baulast zugesagt habe, und deswegen keinen Schadensersatz schulde.

OLG verneint Anspruch auf Schadensersatz

Das Schaden­s­er­satz­be­gehren des Klägers blieb vor dem Oberlan­des­gericht Hamm erfolglos. Dem Kläger stehe gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Weigerung des Beklagten zu, die Eintragung einer Verei­ni­gungs­baulast für das Bauvorhaben des Klägers zu bewilligen.

Parteien bemessen Bezeichnung "Baulast" unter­schiedliche Bedeutung bei

Es fehle bereits an einer vertraglichen Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für sein Bauvorhaben eine solche Baulast zu bewilligen. Eine solche Verpflichtung werde durch den im Juni 2012 abgeschlossenen Vertrag der Parteien nicht begründet. Äußerlich übereinstimmend hätten die Parteien in dem Vertrag zwar vereinbart, dass der Beklagte dem Kläger die Eintragung einer "Baulast" auf seinem Grundstück bewillige. Dabei hätten die Parteien der Bezeichnung "Baulast" allerdings eine unter­schiedliche Bedeutung beigemessen, so dass der Vertrag einen versteckten Einigungsmangel (Dissens) aufweise. Das ergebe die Auslegung der Vertrags­er­klä­rungen der Parteien.

Begriff "Baulast" wurde von Parteien beim Vertragsschluss unterschiedlich verstanden

Der Begriff der "Baulast" sei objektiv mehrdeutig. Von den Parteien sei er beim Vertragsschluss unterschiedlich verstanden worden. Der Kläger habe den Begriff in dem Sinne verstanden, dass ihm der Beklagte die Baulast einräume, die er, der Kläger, für sein Bauvorhaben benötige. Das schließe die Bewilligung einer Verei­ni­gungs­baulast ein. Demgegenüber habe der Beklagte die Vorstellung gehabt, dass lediglich eine Abstands­flä­chen­baulast gemeint sei. Dafür, dass der Beklagte dem Kläger keine Verei­ni­gungs­baulast habe zusagen wollen, mit der der Kläger - aus bauord­nungs­recht­licher Sicht - das Grundstück des Beklagten unbeschränkt habe bebauen dürfen, spreche u.a., dass der Beklagte dann der zuvor gegenüber einer anderen Gesellschaft übernommenen Verpflichtung, den Bau einer Windkraftanlage dieser Gesellschaft auf seinem Grundstück zu dulden, zuwider­ge­handelt hätte.

Begriff der "Baulast" nicht eindeutig

Ein geschütztes Vertrauen der Parteien, dass der Begriff der "Baulast" nur in einem einzigen Sinne aufgefasst werden könne, sei nicht festzustellen. Der Begriff der "Baulast" sei nicht eindeutig, weil es mehrere Arten von Baulasten gebe, die damit gemeint sein könnten. Es gebe auch keine Verkehrssitte, nach der der Begriff immer in einem bestimmten Sinn gebraucht werde. Wortlaut und Zweckbestimmung des Vertrages der Parteien sprächen nicht eindeutig für ein Vertrags­ver­ständnis im Sinne einer der Parteien. Ein solches Verständnis ergebe sich auch nicht aus ihrer Interessenlage. Dem Interesse des Klägers, die bauord­nungs­rechtliche Geneh­mi­gungs­fä­higkeit seines Bauvorhabens sicherzustellen, entspreche das auf die Bewilligung einer Verei­ni­gungs­baulast gerichtete Vertrags­ver­ständnis. Demgegenüber werde dieses Verständnis den Interessen des Beklagten nicht gerecht, weil er mit einer solchen Baulast gegen eine andere, bereits zuvor begründete vertragliche Verpflichtung verstoßen hätte.

Der versteckte Dissens bewirke, dass der von den Parteien im Juni 2012 intendierte Vertrag nicht zustande gekommen sei, und daher keine Rechtsgrundlage für das Schaden­s­er­satz­be­gehren des Klägers darstellen könne.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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