21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss03.10.2001

Geschwindig­keits­überschreitung eines Hausarztes kann wegen Vorliegens einer Notsituation gerechtfertigt seinErforderlich sind aber Feststellungen zur Länge der Anfahrtsstrecke des Arztes, der gewonnenen Zeitersparnis durch die Geschwindig­keits­überschreitung, den örtlichen Verhältnissen und der durch­schnitt­lichen Anfahrtszeit eines Notarztes

Ein Hausarzt darf unter bestimmten Umständen die zulässige Höchst­geschwindig­keit überschreiten, wenn dies aufgrund des Vorliegens einer Notsituation gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang ist es aber erforderlich, dass der Tatrichter Feststellungen zur Länge der Anfahrtsstrecke des Arztes, der gewonnenen Zeitersparnis durch die Geschwindig­keits­überschreitung, den örtlichen Verhältnissen und der durch­schnitt­lichen Anfahrtszeit eines Notarztes macht. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: An einem Nachmittag im September 2000 überschritt eine Autofahrerin innerorts die zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit um 32 km/h. Gegen ihr wurde daraufhin ein Bußgeld von 200 DM und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen wehrte sich die Autofahrerin mit ihrem Einspruch. Sie verwies darauf, dass sie auf dem Weg zu einem Notfa­ll­pa­tienten gewesen sei, der einen dritten Herzinfarkt erlitten habe. Sie selbst sei die Haus- und Vertrau­en­s­ärztin des Patienten.

Amtsgericht hielt Geschwin­dig­keits­über­schreitung für gerechtfertigt

Das Amtsgericht Brilon hielt angesichts des Noteinsatzes die Geschwindigkeitsüberschreitung für gerechtfertigt und sprach daher die Autofahrerin frei. Dagegen richtete sich die Rechts­be­schwerde der Staats­an­walt­schaft. Sie gab zu bedenken, dass die Hinzuziehung eines Notarztes eine geeignetere Möglichkeit gewesen wäre, die medizinische Versorgung des Patienten sicherzustellen.

Oberlan­des­gericht hielt Ausführungen des Amtsgerichts zur Geeignetheit eines Notarztes für unzureichend

Das Oberlan­des­gericht Hamm führte zum Fall aus, dass die Überschreitung der zulässigen Höchst­ge­schwin­digkeit mit dem Ziel, einem akut erkrankten Patienten erste Hilfe zu leisten, nach § 16 OWiG gerechtfertigt sein könne. Dies setze aber voraus, dass die Geschwin­dig­keits­über­schreitung überhaupt zu einem messbaren Zeitgewinn führt und somit gegenüber der Hinzuziehung eines Notarztes ein geeigneteres Mittel zur Gefahrenabwehr darstellt. Ausführungen des Amtsgerichts haben dazu jedoch gefehlt. In diesem Zusammenhang sei insbesondere zu beachten, dass einem Notarzt Sonderrechte zustehen und der Notarztwagen eine medizinische Ausstattung zur Erstversorgung aufweist.

Weitere Feststellungen erforderlich

Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts müssen Feststellungen zur Länge der Anfahrtsstrecke des Arztes, der gewonnenen Zeitersparnis durch die Geschwin­dig­keits­über­schreitung, den örtlichen Verhältnissen und der durch­schnitt­lichen Anfahrtszeit eines Notarztes getroffen werden. Zudem sei zu berücksichtigen gewesen, dass eine Geschwin­dig­keits­über­schreitung zu einer erheblichen Gefährdung anderer Verkehrs­teil­nehmer hätte führen könne. Daher seien weitere Feststellungen zur allgemeinen Verkehrslage und Verkehrsdichte zur Tatzeit erforderlich gewesen.

Aufhebung des Urteils und Zurückweisung des Falls

Das Oberlan­des­gericht hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies den Fall zur Neuverhandlung zurück.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

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