15.11.2024
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Dokument-Nr. 7379

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Beschluss22.01.2009Oberlandesgericht Frankfurt am MainWpÜG 1/08, WpÜG 3/08
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss22.01.2009

OLG Frankfurt konkretisiert Voraussetzungen für die Fehler­fest­stellung im Enforcement-Verfahren nach dem Bilanz­kon­troll­gesetz

Mit einer Entscheidung vom 22.01.2009 hat der Wertpa­pie­r­erwerbs- und Übernahmesenat des Oberlan­des­ge­richts die Beschwerden einer Aktien­ge­sell­schaft (AG) zurückgewiesen, mit denen sie sich gegen eine Fehler­fest­stellung und Veröf­fent­li­chungs­a­n­ordnung im so genannten "Enforcement-Verfahren" gewandt hat.

Die AG ist ein Unternehmen mit konzernweit knapp 400 Mitarbeitern, dessen Aktien zum Handel zugelassen sind. Der Konzer­n­ab­schluss und der zugehörige Konzern­la­ge­bericht der AG für das Jahr 2005 waren von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) im Rahmen eines Enforcement-Verfahrens einer Stich­pro­ben­prüfung unterzogen worden. Dabei stellte die DPR mehrere Fehler fest, die sie zwar nicht isoliert betrachtet, aber in einer Gesamtschau für wesentlich hielt, wodurch die Rechnungslegung fehlerhaft werde.

Die AG stimmte den Einzel­fest­stel­lungen der DPR zu, teilte jedoch nicht ihre Würdigung hinsichtlich der Gesamtschau. Deshalb führte die Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht (BaFin) eine eigene Prüfung durch, die im Wesentlichen zur Feststellung derselben Fehler im Konzer­n­ab­schluss führte, weshalb ein entsprechender Bescheid erlassen wurde. Auf den Widerspruch der AG änderte die BaFin den Fehler­fest­stel­lungs­be­scheid nur geringfügig ab. Darüber hinaus ordnete sie die Veröf­fent­lichung der im Konzer­n­ab­schluss festgestellten Fehler an (Veröf­fent­li­chungs­a­n­ordnung).

Gegen die Anordnungen der BaFin legte die AG Beschwerde ein. Sie machte geltend, der Konzer­n­ab­schluss könne nur dann als fehlerhaft angesehen werden, wenn eine wesentliche Abweichung von Rechnungs­le­gungs­vor­schriften gegeben sei. Daran mangele es vorliegend, da die von der BaFin festgestellten Abweichungen sowohl in ihrer Einzel- als auch in ihrer Gesamtschau von ihrer Größenordnung und Bedeutung her nicht geeignet seien, die Inves­ti­ti­o­ns­ent­scheidung von Anlegern zu beeinflussen. Die Feststellung oder gar Veröf­fent­lichung von unwesentlichen Fehlern aber widerspreche dem Ziel des Bilanz­kon­troll­ge­setzes und das Vertrauen der Anleger in den deutschen Kapitalmarkt werde zu Unrecht erschüttert.

Der zuständige Wertpa­pie­r­erwerbs- und Übernahmesenat wies die Beschwerden nunmehr zurück.

Dabei konkretisiert er die Voraussetzungen des Enforcement-Verfahrens und beantwortet die bisher nur in der Fachliteratur diskutierte Frage, wann eine Fehler­fest­stellung überhaupt erfolgen darf. Nach Auffassung des Senats ist dies dann der Fall, wenn die geprüfte Rechnungslegung einen oder mehrere Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder den sonst durch Gesetz zugelassenen Rechnungs­le­gungs­standards aufweist, die entweder für sich allein betrachtet oder in ihrer Gesamtheit aus Sicht des Kapitalmarkts wesentlich sind.

In Bezug auf die Veröf­fent­lichung der Fehler führt der Senat aus, dass eine befürchtete negative Beeinflussung des Aktienkurses oder sonstige typischerweise mit einer Fehler­be­kannt­machung für das betroffene Unternehmen einhergehende Folgen grundsätzlich nicht das ausnahmsweise Absehen der Fehler­ver­öf­fent­lichung begründen könne.

Schließlich stellt der Senat klar, dass im Falle der Fehler­haf­tigkeit der Rechnungslegung alle Fehler zu veröffentlichen sind, also auch solche, die für sich genommen nicht als gravierend einzustufen sind. Bei dieser Sachlage komme es also nicht nur zu einer teilweisen Bekanntmachung.

Hinter­grun­d­in­for­mation:

Als Reaktion auf durch Bilanz­ma­ni­pu­la­tionen verursachte Unter­neh­mens­skandale, die das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt erschütterten, hat die Bundesregierung im Jahr 2004 ein Bilanz­kon­troll­gesetz geschaffen. Teil dieses Gesetzes war die Einführung des so genannten "Enforcement-Verfahrens", durch das die BaFin ermächtigt wurde, Rechnungs­le­gungen - also auch Konzer­n­ab­schlüsse und zugehörige Lageberichte - von kapital­ma­rk­to­ri­en­tierten Unternehmen auf das Vorliegen von Bilanzfehlern hin zu überprüfen (§ 37 n WpHG). Das Verfahren ist dabei zweistufig ausgestaltet: Auf der ersten Stufe prüft die DPR - eine privatrechtlich organisierte Prüfstelle - stich­pro­benartig oder auf Anlass (§ 342 b HGB). Ist das Unternehmen nicht freiwillig zur Mitwirkung bereit oder akzeptiert es das Prüfungs­er­gebnis der Prüfstelle nicht, folgt auf der zweiten Stufe die behördliche Überprüfung durch die BaFin (§ 37 p WpHG), die auch die Veröf­fent­lichung der Bilanzfehler anordnen kann, wovon jedoch zum Schutz berechtigter Interessen des Unternehmens ausnahmsweise abgesehen werden kann (§ 37 q WpHG). Die Feststellungen und Anordnungen der BaFin wiederum können auf die Beschwerde des Unternehmens gerichtlich überprüft werden (§§ 37 t, 37 u WpHG).

Erläuterungen:

BaFin

Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht mit Sitz in Frankfurt

Bilanzkontrollgesetz

Gesetz zur Kontrolle von Unter­neh­mens­ab­sch­lüssen vom 15.12.2004, Bundes­ge­setzblatt 2004 Teil I Nr. 69

DPR

Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e.V.

Enforcement

eigentlich: "Erzwingung, Durchsetzung", hier verstanden als "Überwachung von Unter­neh­mens­be­richten und die Information über ihre Fehler­haf­tigkeit"

HGB

Handelsgesetzbuch

Wertpa­pie­r­erwerbs- und Übernahmesenat

Der Wertpapier- und Übernahmesenat des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main ist bundesweit zuständig

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 03.02.2009

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