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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss14.06.2023
Einreiseschwierigkeiten für russische Angeklagte berechtigten nicht zur VerfahrenseinstellungEinreise nach Deutschland nach wie vor möglich und auch zumutbar
Etwaige durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hervorgerufene Einreiseschwierigkeiten für Angeklagte russischer Staatsangehörigkeit, die sich in der Russischen Föderation aufhalten, stellen kein andauerndes Verfahrenshindernis dar. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat den angefochtenen Einstellungsbeschluss des Landgerichts aufgehoben.
Die Angeklagten, beide russische Staatsbürger, waren vom Landgericht Darmstadt wegen Beihilfe zur Untreue und Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Nach mehrjähriger Untersuchungshaft halten sich die Angeklagten wieder in der Russischen Föderation auf. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin hatte der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen. Das Landgericht Darmstadt stellte das Verfahren im Frühjahr 2023 wegen eines andauernden Verfahrenshindernisses (§ 206 a StPO) ein. Das Erscheinen der Angeklagten zu einer neuen Hauptverhandlung würde die Angeklagten in Hinblick auf die von der EU verhängten Reisebeschränkungen sowie mögliche Repressionen bei ihrer Rückkehr in die Russische Föderation unverhältnismäßig belasten.
Erscheinen trotz Krieges weder ausgeschlossen noch unzumutbar
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte vor dem OLG Erfolg. Es hob den Einstellungsbeschluss auf. Zur Begründung führte es aus, dass die vom Landgericht dargelegten Umstände kein andauerndes Verfahrenshindernis begründen würden. Wie lange der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine dauern werde, sei offen. „Ein Erscheinen der Angeklagten zu einem neuen Hauptverhandlungstermin ist gleichwohl derzeit weder objektiv ausgeschlossen noch unzumutbar“, führte das OLG weiter aus. Auch ohne direkten Flugverkehr bestehen etwa Flugmöglichkeiten über internationale Drehkreuze nach Deutschland sowie eine Ein- und Ausreise über den Landweg mit dem Pkw oder dem Bus. Nach Aussetzung der Visumsfreiheit für russische Reisende gebe es die Möglichkeit, das Visumsantragsverfahren durchzuführen. „Dass eine solche Einreise eine beschwerliche und umständliche Prozedur für die Angeklagten darstellt, stellt kein Hinderungsgrund im Sinne des § 206 a StPO dar, denn auch andere Angeschuldigte aus anderen Herkunftsstaaten haben sich (...) umständlichen, teuren und langwierigen Aus- und Einreisemodalitäten zu unterziehen, um sich ihrem in Deutschland geführten Verfahren zu stellen (...)“, betonte das OLG zudem.
Keine konkreten Anhaltspunkte für Repressalien bei Rückkehr
Es lägen auch keine konkreten Anhaltspunkte für mögliche Repressalien bei Rückkehr der Angeklagten nach Russland vor, die der Prozessführung entgegenstehen könnten. Soweit die russische Staatsduma ausreisewillige russische Staatsbürger möglicherweise allein wegen ihres Ausreisewillens als Landesverräter der Verfolgung aussetze, greife dieser Einwand hier nicht. Die Angeklagten würden ihr Land gerade nur vorübergehend für den Zeitraum der Prozessführung verlassen und durch eine nachfolgende Rückkehr belegen, dass sie nicht dauerhaft ausreisewillig sind. Schließlich würden weder das Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis der Fortführung des Verfahrens noch eine mögliche überlange Verfahrensdauer zur Verfahrenseinstellung wegen eines andauernden Verfahrenshindernisses berechtigen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.07.2023
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)
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