15.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 29092

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Urteil15.07.2020Oberlandesgericht Frankfurt am Main7 U 47/19
Vorinstanz:
  • Landgericht Wiesbaden, Urteil04.01.2019, 9 O 271/18
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil15.07.2020

Versi­che­rungs­schutz für HundebissHaftungs­aus­schluss nur bei bewusster Pflicht­ver­letzung

Tierhalter­haftpflicht­versicherungen können wirksam ihre Deckungspflicht für Ansprüche ausschließen, bei denen der Schaden durch „bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen“ verursacht wurde. Da im zu entscheidenden Fall jedoch keine bewusste Pflicht­ver­letzung nachgewiesen wurde, verurteilte das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) die verklagte Haftpflicht­versicherung, für die Folgen eines Hundebisses einzustehen.

Die Klägerin hält einen Mischlingshund. Sie hat bei der Beklagten u.a. eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen. In den allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen heißt es in Ziff. F.3: „Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versi­che­rungs­nehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versi­che­rungs­nehmers verursacht hat.“ Nachdem der Hund 2011 ein 10-jähriges Mädchen gebissen hatte, ordnete das zuständige Kreis­ver­wal­tungs­referat im Juni 2012 an, „dass Begeg­nungs­kontakte des Hundes mit Kindern bis ca. 14 Jahren... zu vermeiden seien.“

Hund biss Mädchen ins Gesicht

Im Juni 2012 hielt sich die Klägerin mit ihrem angeleinten Hund in einer öffentlichen Parkanlage mit Spiel­platz­gelände auf einer Parkbank auf und unterhielt sich mit einer Bekannten. Ein 2-jähriges Kind „näherte sich dem Hund, streichelte ihn am Rücken und tastete sich weiter vor in Richtung Kopf.“ Der Hund knurrte und biss das Kind ins Gesicht, das hierbei schwere Verletzungen erlitt und 1 ½ Monate stationär behandelt werden musste. Gegen die Klägerin erging ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Körper­ver­letzung. Sie wurde außerdem verurteilt, an das Kind knapp 100.000 € zu zahlen.

Tierhal­ter­haft­pflicht­ver­si­cherung verweigerte Zahlung

Die Klägerin nimmt die beklagte Versicherung auf Freistellung von den Zahlungs­ansprüchen des Kindes in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Die Klägerin habe aus der abgeschlossenen Tierhal­ter­haft­pflicht­ver­si­cherung einen Anspruch auf Freistellung von den Ansprüchen, stellte das OLG fest. Die Beklagte könne sich nicht auf den Risiko­aus­schluss nach Ziff. F.3 der allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen berufen.

Die Regelung in Ziffer F.3 sei zwar wirksam. Sie enthalte weder eine unangemessene Benachteiligung noch sei sie ungewöhnlich oder überraschend. Schließlich genüge sie auch dem Trans­pa­renzgebot, da sie eindeutige und festumrissene Begriffe aus der Rechtssprache verwende. Die Verpflichtung, eine Klausel klar und deutlich zu formulieren, bestehe nur im Rahmen des Möglichen. „Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen können nicht stets so formuliert werden, dass dem Kunden jedes eigene Nachdenken erspart bleibt“, ergänzt das OLG. Folglich sei es unschädlich, dass nicht sämtliche Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Anordnungen, die der Züchtung und Haltung von Hunden dienen, in der Klausel aufgezählt würden.

Gericht: Konkrete vorsätzlich begangene Pflicht­ver­letzung kann nicht festgestellt werden

Hier habe aber die Klägerin nicht bewusst gegen die Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetze, Verordnungen und behördliche Verfügungen verstoßen. Eine konkrete vorsätzlich begangene Pflicht­ver­letzung sei nicht festzustellen. „Ein bewusst pflichtwidriges Verhalten liegt vor, wenn der Versi­che­rungs­nehmer seine Pflicht wissentlich verletzt“, stellt das OLG klar. Erforderlich sei damit jedenfalls bedingter Vorsatz. Hier sei nicht nachweisbar, dass die Klägerin gewusst habe, dass das Betreten des Geländes mit einem Hund verboten gewesen sei. Die Klägerin habe unwiderlegt ausgeführt, dass sie den Spielplatz zuvor nicht gekannt habe. Sie habe auch keine Verbotsschilder für Hunde wahrgenommen. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass ihr der Bescheid der Kreisverwaltung vorher bekannt gewesen sei.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pt/pm)

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