15.11.2024
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Dokument-Nr. 29159

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Urteil02.09.2020Oberlandesgericht Frankfurt am Main4 U 46/19
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil14.02.2019, 2-17 O 235/15
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil02.09.2020

Außer­or­dentliche Kündigung des Dienstvertrags des ehemaligen stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden der GDL unwirksamGDL muss 170.000 Euro an ehemaligen stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden zahlen

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zur Zahlung von knapp 170.000,00 € an einen ehemaligen stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden verurteilt. Nach einer wirksamen Amtsenthebung sei der daneben bestehende Dienstvertrag nicht wirksam gekündigt worden. Es fehle sowohl an einer rechtzeitig von dem hierfür zuständigen Hauptvorstand ausgesprochenen Kündi­gungs­er­klärung als auch an einem wichtigen Grund für die Kündigung, begründete das OLG das Urteil.

Der Kläger war stell­ver­tre­tender Bundes­vor­sit­zender der beklagten GDL. Er begehrt u.a. Vergütung für die Jahre 2013-2017. Der Kläger war seit 2008 bei der Beklagten tätig und im Mai 2012 zum weiteren stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden der Beklagten gewählt worden. Zugleich beschloss der Hauptvorstand der Beklagten den Abschluss von Dienst­ver­hält­nissen vom 01.06.2012 bis 31.12.2017 für den geschäfts­füh­renden Vorstand. Vergleichbar etwa einem Geschäftsführer einer GmbH bestand für den Kläger damit zum einen eine Amtsbeziehung zur Beklagten und zum anderen ein Dienstvertrag.

Keine Beschluss­fassung über das Dienst­ver­hältnis

Nachfolgend kam es innerhalb des geschäfts­füh­renden Vorstands zu Meinungs­ver­schie­den­heiten zwischen dem Bundes­vor­sit­zenden und dem Kläger sowie dem weiteren stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden. Hintergrund war u.a. ein Antrag des weiteren stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden auf Darle­hens­ge­währung, den der Kläger - anders als der Bundes­vor­sitzende - unterstützte. In der außer­or­dent­lichen Haupt­vor­stand­s­itzung im April 2013 wurden der Kläger sowie das weitere stell­ver­tretende Vorstands­mitglied ihres Amtes enthoben. Über das Dienst­ver­hältnis erfolgte keine Beschluss­fassung. Nachfolgend wurde dem Kläger durch den Bundes­vor­sit­zenden mitgeteilt, dass sein Dienst­ver­hältnis infolge der Amtsenthebung ende. Vorsorglich wurde das Dienst­ver­hältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Der Kläger begehrt mit der Klage u.a. seine Bruttovergütung für die Zeit Juli 2013 bis Dezember 2017 abzüglich erhaltener Sozia­l­leis­tungen und anderweitig erzielten Verdienstes. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

OLG: Zweckbefristung liegt nicht vor

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG zu einem großen Teil Erfolg. Die Beklagte wurde zur Zahlung von knapp 170.000 € verurteilt. Dem Kläger stünden die geltend gemachten Vergü­tungs­ansprüche aufgrund des geschlossenen Dienstvertrages zu, urteilte das OLG. Dieser Dienstvertrag endete nicht mit der Amtsenthebung im April 2013. Die Dienstverträge der Mitglieder des geschäfts­füh­renden Vorstands der Beklagten seien nicht an den Fortbestand des Wahlamtes gebunden gewesen. Es liege keine Zweckbefristung vor.

Außer­or­dentliche Kündigung unwirksam

Die ausgesprochene außer­or­dentliche Kündigung habe das Dienst­ver­hältnis ebenfalls nicht beendet. Die Erklärung sei unwirksam, weil sie nicht von dem hierfür nach der Satzung der Gewerkschaft zuständigen Hauptvorstand ausgesprochen worden sei. Es liege zudem kein wichtiger Grund für die außer­or­dentliche Kündigung vor. Auch unter Berück­sich­tigung der Interessen der Beklagten stelle der Umstand, dass der Kläger den Antrag des stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden auf Darle­hens­ge­währung in die Sitzung des geschäfts­füh­renden Vorstands eingebracht und unterstützt habe, keinen wichtigen Grund dar. Die Vorlage des Darle­hens­an­trages sei entgegen der Ansicht der Beklagten insbesondere nicht auf eine strafrechtliche Untreue oder Beihilfe zum Betrug gerichtet gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Abschluss eines Darle­hens­ver­trages zu einem Vermö­gens­nachteil oder einer -gefährdung der Beklagten geführt hätte. Der Antrag habe vielmehr eine drohende Insolvenz des stell­ver­tre­tenden Bundes­vor­sit­zenden gerade abwenden sollen.

Verhalten des Klägers rechtfertigt auch unter Compliance-Aspekten keine außer­or­dentliche Kündigung

Das Verhalten des Klägers sei auch nicht unter Compliance-Aspekten geeignet, eine außer­or­dentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere habe es nicht auf die Gewährung einer Sonder­ver­güns­tigung eines Mitglieds der Leitungsebene abgezielt. Die Einbringung des Kreditantrags habe für die Beklagte unter gewerk­schafts­po­li­tischen Aspekten zwar problematisch erscheinen können, bilde aber unter Abwägung der Interessen beider Parteien keinen wichtigen Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung. Für eine ordentliche Kündigung sei im Hinblick auf die Fünfjah­res­be­fristung kein Raum. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde die Zulassung der Revision vor dem Bundes­ge­richtshof begehren.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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